Spätneuzeitliche Dekadenzevolution: Ein Nachruf für Guido Westerwelle
Spätneuzeitliche Dekadenzevolution: Ein Nachruf für Guido Westerwelle

Spätneuzeitliche Dekadenzevolution: Ein Nachruf für Guido Westerwelle

Als heute Nachmittag die Meldung vom Tode Guido Westerwelles bei mir ankam, war ich kurz traurig. Es geht wirklich eine Ära mit vertrauten Figuren und bekannten Gesichtern zu Ende. Man merkt, die Zeitenwende ist personell stark am rotieren im Jahr 2016. Trotz aller politischen Frotzeleien und auch der Gegnerschaft die man politisch verspürt hat, bleibt Respekt. Respekt für eine Person die in seiner Ära, in seiner Denkschule und seiner Umgebung nachhaltig gewirkt hat. Ob man den mag oder nicht, Westerwelle hat seine Fußstapfen hinterlassen. Und diese Fußstapfen werden mit der Zeit in Anbetracht des digitalen Wandels immer musealer. Museal heißt, dass etwas mal bedeutend war, etwas in Erinnerung behalten sollte. Aber es gehört in die Vergangenheit. Mit Würde.

Wenn ich an Westerwelle denke, denke ich vor allem an die viel zitierte „spätrömische“ Dekadenz. Diese beschwor er mal anlässlich einer Erhöhung von ALG II Sätzen herauf. Westerwelle fürchtete sich verbal vor einem „anstrengungslosen Wohlstand“ für Menschen die von Sozialleistungen des Staates leben. Das ist befremdlich, vor allem wenn gleichzeitig ganz selbstverständlich Banken zur selben Zeit ihre Bailouts bekommen. Bailouts für Menschen sind irgendwie mehr „bäh-bäh“ in einer Denke, die Leistung, Kapitalerzeugung und große Organisationen als „Arbeitsplätzefabriken“ sieht – die aber gefühlt mehr Stellen abbauen oder outsourcen als Wohlstand in der Mittelschicht verbreiten.

Der Spruch von der „spätrömischen Dekadenz“ wurde zum geflügelten Wort und ist nun so was wie ein Sprichwort, wenn Menschen sich wie auch immer gearteten oder selbst so wahrgenommenen, dekadenten Situationen hingeben oder diese mitbekommen. Westerwelle war für mich der ultimative Vertreter von „Arbeit muss sich wieder lohnen“ und der Idee, dass man sich materielle Freuden im Leben redlich verdienen muss.

Ich habe diese Denke nie wirklich als richtig empfunden. Ich kann sie nachvollziehen, jedoch ist im Ausblick auf den enormen technologischen Fortschritt des Menschen, diese Denke doch langsam antiquiert. Dies gilt auch für die damit zusammenhängende Kultur der Missgunst. Dies mag früher mal richtig gewesen sein. Man musste sich tatsächlich in früheren Zeiten ziemlich den Hintern aufreißen um zu überleben, um was zu Essen zu bekommen, um ein Haus zu haben, um sich unter den Mitmenschen zu behaupten, um Partner zu haben, sich fortzupflanzen und die Leibesfrüchte dann auch weiter zu ernähren damit sie von Vorne genau weiter machen können wie die Eltern. Ad nauseam.

Ich lebe aber in einer anderen Welt als Herr Westerwelle. Heute stehen wir aber aufgrund von Automatisierung, dem Ankommen von Robotern in unserem Alltag vor der Frage, wie wir für alle Menschen ein lebenswertes Leben gestalten können. Das wirft bisherig valide gewesene Arbeitsethiken ganz schön über den Haufen. Man könnte sogar soweit gehen, dass wer alte „wer essen will muss auch arbeiten“ Sprüche klopft die Realität verweigert und sogar etwas Bösartigkeit mit sich bringt. Kann man machen, muss man aber nicht. Die Welt ändert sich. Menschen kommen und gehen. Ideen auch. Deren Relevanz genauso.

Memento mori.

P.S: Es braucht bald Debatte darüber, dass „Luxus“ nicht mehr ein Luxus sein darf.

 

 

Beitragbild: The Roses of Heliogabalus

 

 

 

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