Urheberrechtsreform und das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – zwei  Alleinstellungsmerkmale der Piraten-Programme.
Urheberrechtsreform und das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – zwei Alleinstellungsmerkmale der Piraten-Programme.

Urheberrechtsreform und das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – zwei Alleinstellungsmerkmale der Piraten-Programme.

Ein Beitrag von Bruno Kramm

Urheberrechtsreform und das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) – auf den ersten Blick für viele so gegensätzlicher Natur wie ein von Musik lebender Urheber der gleichzeitig als Pirat für das Europaparlament kandidiert. Warum?

Während der Gründungsmythos der Piratenpartei in die Zeit der großen Konflikte des klassischen Urheberrechtes mit den Nutzungsarten im Internet fällt, ist das BGE schon seit Jahrhunderten Thema von Philosophie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Diese Utopie einer den Menschen vom Existenzkampf um Einkommen befreienden und beflügelnden Grundversorgung hat auf den ersten Blick mit dem Internet und dem digitalen Wandel sehr wenig zu tun. Sie wurde gerade in Zeiten der Krise von Sozial- und Wirtschaftssystemen immer häufiger als Alternative diskutiert.

Dennoch haben sich beide Themen schon immer umkreist, sich einander mit magnetischer Anziehungskraft genähert und Befürworter gefunden. Urheber die von der Fessel der Zwangsehe von Kunst und ihrer wirtschaftlichen Wertschöpfung befreit sein wollen, finden sich in der Offlinekunstszene ebenso wie bei Programmieren von freier Software und Denkern der Gemeinwesens- und Commonskultur.

Aus der Affäre um die Pirate Bay und die Konflikte um die mannigfaltigen Nutzungs- und Verbreitungsarten von urheberrechtlich geschützten Werken im Netz wuchs sehr früh die Upsaladeklaration, das Grundsatzpapier der ganzen Piratenbewegung. Wesentliche Fragen der Informationsgesellschaft wurden in einer Vielfalt zwischen Aluhut und Post Privacy Spackeria neu gedacht. Verbindend ist aber für alle: das gemeinsame Nutzen von Ressourcen, die Freiheit von Wissen, Werken und Software, das kollaborative Schöpfen mit freien Werkzeugen, das vom Vertriebsmonopol befreite Vermitteln im Netz. Und die Abkehr vom umstrittenen Kampfbegriff »geistiges Eigentum«. Eine Abkehr, die in der digitalen Kopiermaschine Internet so wie in der Privatkopie mehr Vorteile als Nachteile findet und trotzdem Fragen zur Honorierung von Urhebern aufwirft, wenn sie Verwertungsgesellschaften und Urheber Vertragsrecht zu Gunsten des individuell Schöpfenden reformieren will.

Das BGE hingegen gehört zur zweiten Welle der Piratenrevolution, die sich gerade vieler sozialer Themen, emanzipatorischer Elemente und postmaterialistischer Aspekte widmete. Das aber nicht isoliert, sondern aus der digitalen Sozialisation heraus. Diem Blaupause der freien Infrastruktur des Netzes, seines lizenzfreien Betriebssystems HTML, der freien Software und der Zukunft einer Gesellschaft in der 3D Drucker potentiell jeden irgendwann alles besitzen lassen.

Hier verliert der Besitz seinen Glanz.

Das geistige Eigentum verliert im Remix der Kulturen sein Bedeutung. Warum? Zu unterschiedlich sind die kulturellen Auffassungen in einer global vernetzten Welt. Gerade in den von der westlichen Welt ihrer Rohstoffe beraubten Kulturen des Südens waren kulturelle Schöpfungen immer Teil eines gemeinsam gepflegten Eigentums. In Asien kam die Kopie gar einer Adelung gleich. Zu Unterschiedlich sind die historischen und kulturellen Dogmen und Bedingungen für Schöpfungen um sie in der westlich-aufklärerischen Vision des Kant’schen »geistigen Eigentums« dann als »immaterial properties« in Abkommen wie TRIPS und TTIP weltweit festzuschreiben.

Dazu kommt noch: In der digitalen Welt werden geistige Güter häufig zum Rohstoff neuer Schöpfungen, von Wissen und Kultur. Recht auf Remix ist nicht umsonst eine von Urhebern und Nutzern geforderte Schranke des Urheberrechtes. Die Diskussion mit Verlegern ob es sich bei einem gecoverten Stück über ein Cover, eine Bearbeitung oder ein Zitat handelt wird meisten von weniger bekannten Urhebern verloren und damit die komplette Urheberlizenz. Das westliche Paradigma der Aufklärung, das Urhebern wirtschaftliche Freiheit durch ein monopoles Kopierrecht verschaffte, ist streng genommen ein elitäres Schutzrecht für jene die erfolgreich sind, denn es kümmert sich in großen Teilen um den Schutz der übertragenen Nutzungsrechte. Das komplette Urheberwahrnehmungsrecht kümmert sich um Rechte von Verlegern und den erfolgreichen Eliten in den Verwertungsgesellschaften. Und im Zeitalter des kollaborativen Schöpfens kommt noch hinzu dass der vormals einsame Genius im Elfenbeinturm immer häufiger kollektiv schöpft.

Dennoch gesellt sich zu dieser umfassenden Teilhabevision auch die Frage ob es die Demokratisierung und Teilhabe an Produktionsmitteln und Vertriebswegen alleine ist, was den Urhebern zur Selbstvermarktung und dem Auskommen reichen dürfte. Die Argumentation, dass die Aneignung digitaler Immaterialgüter keine Entlohnung auf Grund der unendlichen Kopierbarkeit im Internet benötige, ist ebenso wenig haltbar wie die pauschale Gleichstellung von physischen und geistigen Gütern. Dennoch ist die Schranke für das freie Kopieren im Netz der wesentliche Schritt zum Schutz der Privatsphäre im Netz und somit langfristig alternativlos.

Um selbst zu Vermarkten bedarf es nicht nur der grundlegenden Reform oder Neugründung von Verwertungsgesellschaften und eines besseren Urhebervertragsrechtes. Es braucht auch mehr Medienkompetenz bei Urhebern, Netzneutralität, und alternative webgestützte Honorierungs- und Finanzierungsmodelle: Crowdfunding ist ein bedeutender Anfang auch wenn wir in Deutschland erst am Anfang sind.

Dazu gesellt sich: In einer Gesellschaft die zunehmend automatisiert und digitalisiert wird, wird es keine Vollbeschäftigung der klassischen Dienstleistungs und Industrieberufe geben.

Das bedingungslose Grundeinkommen könnte die Rettung vor einer Gesellschaft der Angst um Jobverlust und den Sturz in die Hartz IV Lethargie sein, ja noch viel mehr.

Die Befreiung, endlich den eigenen kreativen Potentialen zu lauschen, die eigene Vision zu verfolgen oder gar lebenslang zu lernen. Alles Selbstzweck und Idealisierung eines Urhebers?

Nein, in Kombination mit Commonskultur, kollaborativem Konsum könnte daraus die transkapitalistische Blüte am Ende der abgefrühstückten Industriegesellschaft stehen, die uns nicht nur an den Rand der ökologischen Katastrophe geführt hat.

Die ersten Triebe finden allerorts statt, sei es die gemeinsam gepflegte Gemeinweide, die ökologischen Kreislaufkollektive zur Versorgung mit nachhaltig produzierten regionalen Lebensmitteln, das gemeinsame Nutzen von Gegenständen, die Coworkingspaces, die gemeinsam genutzten Wikipedias dieser Welt, Lernmittelfreiheit und Open Access.

Aber auch Genossenschaften, die die Stromversorgung mit dezentralen Energiekonzepten in die eigene Hand nehmen oder ihren Kiez vor steigenden Wohnungsmieten mit gemeinsam verwalteten Wohnungen schützen. Egal ob Wissen, Saatgut, Kooperation. Nachdem die Marx’sche Vision, den Kapitalismus durch das Herausreißen der Produktionsmittel aus dem Privateigentum zu überwinden gescheitert ist, bildete sich diese neue Variante gerade im Hightech des digitalen Wandels heraus. Dabei sind die zentralen Güter jetzt gemeinsam genutzte Daten, Dienstleistungen, Schöpfungen und die kollektiven Produktionsmittel, die freie Software. Der nächste Schritt ist die Hardware und die hat bereits mit der 3D Drucker Revolution und der »Makerszene« begonnen. Das BGE ist die konsequente soziale Erweiterung dieses Systems.

Der scheinbare Widerspruch von »Bedingungslos« im BGE und der Urheberschaft als Vorbedingung löst sich auf, denn in der Commonsgesellschaft sind alle Schöpfer und Konsument zugleich. Ein Satz der für die monopolen Wahrnehmer von Nutzungsrechten, den großen Unterhaltungskonzernen aber auch den von ihr konditionierten Urhebern obszön klingen mag. Angsteinflössend allemal, denn es war die perfekte Vision einer Vermarktungsmaschine, die dafür sorgte, dass sich wenige erfolgreiche Urheber im Popolymp wähnten, während die breite Masse entweder für den häufig inhaltsgleichen und austauschbaren Nachschub zu schlechtesten Bedingungen schuftete und sich dennoch besser fühlte als jene Urheber, die in der Nische kaum wahrnehmbar niemals von Urheberrecht und Vermarktung leben konnten. Beispiel gefällig? Zahllose Studiomusiker, Kameraleute und Grafiker die am Rande des Existenzminimums für die Kreativindustrie zwischen Musikantenstadl, Wettendass und Idols schuften und nicht einmal anständig von der eigenen VG entlohnt werden.

Der Motor der Kreativindustrie tankt nur neoliberal, während die Durchsetzung von Verwertungsrechten die Deanonymisierung mittlerweile zum erfolgreichen Geschäftsmodell einer riesigen Abmahnindustrie gemacht hat. Mit den neuen vor dem EuGH erwirkten Netzsperren befindet man sich bereits auf dem Kriegspfad in der »Neuwelt«. Auch wenn die Netzneutralität gerade vom EUP festgezurrt wurde, die Unterhaltungsindustrie sieht ihr Heil in der Verbrüderung mit den Netzzugangsprovidern und dem privilegierten Durchleiten ihrer Daten und schließt damit auch gleich den selbstvermarktenden Urheber von einer freien Vertriebsinfrastruktur aus.

Dazu fördert die Aufmerksamkeitsindustrie wie bereits von Andorno und Horkheimer kritisiert, keineswegs Kultur die Einspruch erhebt, Systemfragen stellt und sich vom gesellschaftlichen Status Quo abhebt, sie wird nur als Rebellion in Häppchen vermarktet. Die Unterhaltungsindustrie fördert jene Werke die dem Bekannten ähnlich genug sind und trotzdem wohldosiert aus dem Schatten der Vergangenheit treten, denn so ist ihr nicht nur eine breite Konsumentenantwort sicher, sondern sie kann auf bereits erprobte und erfolgsversprechende Muster der Vermarktung zurückgreifen. Diese Wechselwirkung von breitem Konsumenteninteresse und dosierter künstlerischer Innovation ist bezeichnend für eine monopolistische Verwertungsindustrie, die jahrzehntelang Produktions- und Vertriebswege kontrollierte und gleichzeitig kreative Innovationen hemmte.

Das Urheberrecht ist dabei längst zum Hebel für die egoistische Wertschöpfung verkommen auch im Miteinander der Urheber. Stellen sie nur mal die Frage zur Schöpfungshöhe des eigenen Werkes und zu dem des Mitbewerbers. Fragen sie mal eine Helene Fischer abseits vom Kameralicht, was sie von den Kollegen und dessen Werken hält.

Womit wir bereits bei der Vertrauensfrage des BGE sind.

Gäbe es ein BGE würden dann die Anderen noch arbeiten? Die Antwort lautet im Allgemeinen: »Nein«. Stelle ich dagegen mir selbst die Frage, dann werde ich in den allermeisten Fällen ein lautes »Ja« hören, dem dann meistens die Selbstverwirklichung kreativer Ideen folgen.

Hieraus ergibt sich sofort die zweite Frage zwischen BGE und Urheberrecht: Wären mit einem BGE alle kreativ? Nein, wird wohl die allgemeine Antwort sein. Auf die Frage nach der eigenen Kreativität würde wiederum sicher mit einem Ja geantwortet. Und jene die glauben sie seien es nicht, sind Kinder einer Erziehung die Kreativität und Schöpfergeist in den Elfenbeinturm hebt und den Einzelnen als Rädchen der alten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft schult, denn das Schulsystem trägt mit seiner starken Orientierung auf temporären Wissenserwerb und Begrifflichkeit zur frühzeitigen Verkümmerung von Kreativität bei. Der Kreativitätsforscher Holm-Hadulla hat das intrinsische Interesse, Neugier und Selbstwertsteigerung als wichtige Motivationsfaktoren beschrieben. Kreativität und Schöpfergeist sind dabei allen Menschen angeboren. Erziehung, Ausbildung und Arbeitsplatz blockieren dagegen individuelle kreative Potentiale. Neugier und Offenheit hingegen wachsen nicht auf dem Boden von Existenzangst.

Ein BGE ersetzt natürlich nicht das zusätzliche Einkommen über grundlegend demokratisch reformierter Verwertungsgesellschaften und sonstige Nutzungsarten von Schöpfungen.

Kommen wir zu den bisher diskutierten Modellen des BGE: Sie fallen je nach politischer Herkunft unterschiedlich aus. Wenn sich ein CDU Landesvorsitzender zu einer minimalen Grundsicherung hinreißen lässt, landen wir in einer Gesellschaft, in der Menschen nicht genug zum Leben haben und der Sozialstaat sich aus der Verantwortung stiehlt. Menschen werden dann erst Recht abhängig.

Gerät es zu hoch, fällt ein Heer kritischer Ökonomen und Volkswirte über das BGE her und argumentiert mittels bisheriger Wirtschaftsmodelle die Unfinanzierbarkeit.

Fakt ist: Wir wissen nur wenig, wie sich ein bisher zwischen sozialer und neoliberaler Marktwirschaft oszillierendes System verhalten wird, wenn ein BGE eingeführt wird. Genauso wenig wissen wir übrigens darüber, wie der digitale Wandel in seinen nächsten Stufen die Weltwirtschaft verändern wird. Wovon wir ausgehen können: Gemeinwesen könnte viele der gravierendsten Probleme von Ressourcenknappheit bis zu Klimakrise teilweise lösen. Commonskultur könnte globale Verteilungsgerechtigkeit von Wissen und Bildung lösen.

Und ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde sicher zu mehr qualitativen, ideellen Wachstum führen, wenn gute Ideen nicht mehr nur von der Finanzierbarkeit abhängen. Wenn morgen alle erkennen, Urheber zu sein, wird ein offenes und Commonsorientiertes Urheberrecht zum Betriebssystem unserer Gesellschaft.

Wer will da noch auf ein System aus dem letzten Jahrtausend bauen?

2 Kommentare

  1. “ In einer Gesellschaft, die zunehmend automatisiert und digitalisiert wird, wird es keine Vollbeschäftigung der klassischen Dienstleistungs und Industrieberufe geben.“
    You made my day!
    Unabhängig von Deinen Betrachtungen zum Urheberrecht, ist dies wohl eine der zentralen Aussagen. Unabhängig ob nun BGE, oder wie man es sonst nennen sollte, es gibt nur zwei Wege. Ein gesichtertes – repressionsfreies – Einkommen für alle, oder der Weg in eine neue Klassengesellschaft. Wobei sich dort die ehemalige Arbeiterklasse in (Arbeitsplatz) – Besitzende und Nichtbesitzende teilen wird. Die zweite wird dann als „Schmarotzerklasse“ bezeichnet und es wird versucht sie auf einen nichtexistenden Arbeitsmarkt zu bringen. Mit allen Mitteln, in jede Arbeit.
    Verzeiht, das wird nicht passieren – es passiert schon. Es nennt sich Hartz IV.
    Wobei es natürlich wirklich möglich wäre eine annähernde Vollbeschäftigung zu erreichen. Man muss bedenken, dass die (Arbeitsplatz) Besitzenden täglich 8 Stunden arbeiten und zu großen Teilen darüber hinaus – teilweise ohne Entlohnung für die Mehrarbeit.
    Jedenfalls gibt es kein Zurück in die Industriegesellschaft der 70er.
    Also neue Wege finden. Da kommt natürlich Dein Gedanke vom z.Zt. verlorenen kreativen Potential und somit das Urheberrecht ins Spiel.
    BGE und der Wegfall des alten Urheberrechtes können einen Weg in eine neue Gesellschaft darstellen. Natürlich werden nicht alle diesen Weg gehen (können oder wollen). Das dritte Element ist eine echte Bildungsreform. Die muss die nächsten Generationen, uns natürlich auch, für diesen Weg fit machen.
    Da wünsche ich uns viel Erfolg.

  2. Bevor sich das BGE oder ähnliches durchsetzen wird, muss sich doch noch einiges mehr in der Gesellschaft ändern. Aktuell glaube ich selbst nicht daran, dass sich dies überhaupt irgend wann einmal durchsetzen wird, zumal es immer wieder einige viele Gegner gibt.

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