Das Virus, die Menschen und das Leben
Das Virus, die Menschen und das Leben

Das Virus, die Menschen und das Leben

Das Coronavirus im Vergleich zur alltäglichen Gesundheitsversorgung

Ein Gastbeitrag von Dr. Ellis Huber, 6. April 2020

Wir Mediziner wussten, dass alle Jahre große Pandemien kommen und wir uns auf diese globale Herausforderung einstellen müssen. Gesundheit und ein Gesundheitssystem, das normale Gefahren bewältigen kann, ist Infrastruktur oder Produktivfaktor für eine funktionierende Wirtschaft. Daseinsvorsorge für das Überleben braucht auch Vorrat und Herstellungskunst von einfachen Wirkprodukten wie FFP-2 Atemschutzmasken. Das Coronavirus macht transparent, wie eine geldgesteuerte Globalisierung zum Wertverlust der gesamten Gesellschaft führt. Verzweifelt und mit Wildwestmethoden konkurrieren jetzt die entwickelten westlichen Gesellschaften um gesundheitsschützende Produkte und Medikamente, um billige Atemmasken und normale Schutzkleidung. Um jeden Preis wird den fernöstlichen Produzenten die notwendige Ausstattung für ein funktionierendes Gesundheitswesen abgekauft. Europa kann Flugzeuge bauen, die jetzt nicht fliegen dürfen, aber keine einfachen Atemschutzmasken mehr, die dringend gebraucht werden. Finanzminister Olaf Scholz meint nun, dass wir wieder selbst die wichtigen Überlebensgüter produzieren müssten und plädiert für „Transparenz, Offenheit und Wahrhaftigkeit“ im Umgang mit der gesellschaftspolitischen Realität. Der Ausstieg aus dem Lockdown, der jetzt alles soziale und wirtschaftliche Leben blockiert, ist inzwischen eine Überlebensfrage der gesamten Gesellschaft.

Im US-Bundesstaat New York ist die Zahl der Todesfälle in den 24 Stunden des 5.4.2020 um 594 auf 4.159 und die der bestätigten Infektionen um 8.327 auf 122.000 gestiegen. Rund 16.500 infizierte Patienten liegen derzeit im Krankenhaus und 4.159 Menschen starben an der Lungenkrankheit Covid-19. Mit insgesamt mehr als 330.445 Infizierten liegen die USA mit Abstand an der Spitze aller Länder. An zweiter und dritter Stelle liegt Spanien mit 130.854 und Italien mit 128.948 Fällen. An vierter Stelle folgt Deutschland mit 100.024 bekannten Infektionen. Die Krise breitet sich jetzt in den Vereinigten Staaten von Amerika aus. Covid-19 hat in den USA bisher 9.429 Todesfälle verursacht. Der jeweils erste nationale Corona-Fall trat in den USA und in Südkorea am 19. Januar 2020, also am selben Tag auf. Südkorea verzeichnet bisher nur 174 Todesfälle. Die Entwicklung in Amerika wirkt verstörend auf die Menschen und die Wirtschaft. Präsident Donald Trump sagt dramatisch ansteigende Opferzahlen voraus und schwört die Amerikaner auf „harte Zeiten“ ein. Er rechnet mit 100.000 bis 240.000 Corona-Toten. In Deutschland wären das 25.000 bis 60.000 Todesfälle. Es wird in Deutschland nicht so schlimm kommen. Doch die mögliche Größenordnung ist benannt. Bis zum 20. April bleibt der Lockdown in Deutschland. Die Distancing Osterwoche hat begonnen. Läden, Restaurants, Schulen und die Universitäten sind geschlossen. Erst danach wird entschieden wie es weitergeht.

Am 5. April hat die Zahl der nachweislich infizierten Personen in Deutschland um 4.410 zugenommen. 1.576 Menschen sind bisher an den Folgen einer COVID-19 Erkrankung gestorben. Am 5.4. kamen 132 Tote dazu, weniger als die Tage davor. Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht eine Wende im bisherigen Prozess gekommen. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Ansteckungen habe sich nahezu halbiert. Unklar bleibt aber weiterhin, wie verbreitet das Coronavirus in der Bevölkerung tatsächlich ist, da Personen ohne Symptome nicht getestet werden und insbesondere jüngere Menschen infiziert sind und sich gesund fühlen.

Überfällig ist daher die Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe aus der Bevölkerung. Nur damit lässt sich klären, wie gefährlich und tödlich das SARS-CoV-2 Virus tatsächlich ist. Am 31. März hat die Uniklinik Bonn eine solche repräsentative Studie mit 1.000 Personen für den Kreis Heinsberg in NRW angekündigt. Vom 5. April an läuft in München eine repräsentative Studie zur Klärung der wirklichen Infektionen dem SARS-CoV-2 Virus. Blutproben aus 3.000 zufällig ausgewählten Haushalten werden auf Antikörper getestet, 4.500 Personen sollen untersucht werden.

Renommierte Infektiologen, Epidemiologen und Virologen sind sich über die Gefährlichkeit des Coronavirus nicht einig. Es gibt Indizien dafür, dass insgesamt die Corona-Pandemie nicht schlimmer wird als die Influenza Pandemie 2017/18 und es gibt ebenso Hinweise, dass das Coronavirus im Vergleich zu den Influenzaviren bei schweren Grippewellen ansteckender ist, länger und schwerer krank macht und auch tödlicher wirkt. Es sterben aber fast ausschließlich schwerstkranke und sehr alte Menschen. Mehr als 500 Corona-Tote verzeichnen die Pflegeheime und 2.000 Pflegende sind infiziert. Die Testkapazitäten sind inzwischen so ausgebaut, dass umfassend gemessen werden kann, wer infiziert und wer bereits immun ist. Personen, die eine Immunität gegen das Coronavirus erworben haben, stecken keinen mehr an. Sie können sich überall bewegen und helfen. Messen, messen und messen ist daher die wirksamste Strategie zum Ausstieg aus dem Kontaktverbot.

Italien gibt es weiter Anlass zur Hoffnung. Die Zahl der Todesopfer ist den zweiten Tag in Folge gesunken. Am Samstag waren es noch rund 680 Tote und jetzt am Sonntag nur noch 525 Opfer. Insgesamt sind in Italien 15.887 Menschen an den Folgen von Covid-19 gestorben. Spanien verzeichnet rund 6.000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, gut 1.000 weniger als im gleichen Zeitraum davor. Die Zahl der Todesfälle ging weiter zurück auf 700 am 5.4.2020. Besonders stark betroffen sind weiterhin die Regionen Madrid und Katalonien. In Frankreich und Großbritannien steigen die Opferzahlen weiter an. Frankreich meldet 8.078 Todesopfer und Großbritannien 4.934. Die Queen rief die Briten zum Durchhalten auf. Sie hoffe, „dass die Eigenschaften der Selbstdisziplin, der stillen, gutmütigen Entschlossenheit und des Mitgefühls dieses Land noch immer auszeichnen“. Die Selbstorganisation, gegenseitige Unterstützung und Solidarität unter allen Bürgerinnen und Bürgern sei der Weg zur Überwindung der Krise.

In Deutschland hat die jetzige Grippesaison von Januar bis März zu 30.000 Einweisungen ins Krankenhaus geführt und bisher sind 377 Menschen nachweislich im Zusammenhang mit der Influenza verstorben. Geschätzt sind seit Oktober 2019 bis heute in Deutschland bereits 4.000 Menschen frühzeitig gestorben, weil noch die Grippe dazu kam. In der Grippesaison 2017/18 waren es 25.000 Todesfälle. Jeden Tag sterben in Deutschland auch etwa 80 Menschen an einer bakteriellen oder viralen Lungenentzündung und 1.600 Patienten infizieren sich im Krankenhaus. Die Zahl der durch Krankenhauskeime verursachten Todesfälle liegt bei jährlich 10.000 bis 20.000 und bei 30 bis 60 pro Tag. Vor diesem Hintergrund sind 1.576 Todesfälle insgesamt und 132 Todesfälle am Tag durch das Coronavirus im Rahmen des allgemeinen Sterbegeschehens in Deutschland noch nicht dramatisch. Aber: wir können nicht genau wissen, wie es weiter geht. Die gemessenen Infektionszahlen sinken. 4.410 waren es nur noch am 5.4.2020.

Erfolge bei der Eindämmung des Coronavirus verzeichnen Südkorea, Taiwan, Hongkong und Japan. Die Zahl der Infizierten steigt dort wesentlich langsamer – meist ohne drakonische Lockdowns und Ausgangssperren. Wir können von diesen Ländern lernen. Schnelle Testverfahren, Antikörper-Tests zur Erkennung bereits immunisierter Personen und vor Allem die Beteiligung der Menschen an der Gefahrenabwehr sind Wege, die offensichtlich helfen. Der Einsatz moderne Kommunikationstechnologie unter Verwendung der Kontaktdaten durch die Menschen selbst ermöglicht eine „Mikromanagement“ der Seuchenbekämpfung. Nicht staatliche Kontrolle, sondern Selbstkontrolle und bürgerschaftliches Engagement sind entscheidend. Die jetzt entwickelte App für Smartphons könnte auch in Deutschland die Selbstorganisation der Menschen und damit individuelle Freiheit mit sozialer Verantwortlichkeit verbinden.

Um Ängste, psychosozialen Stress und gefühlte Todesgefahr durch die Corona-Pandemie nicht zu forcieren, stelle ich das Geschehen bewusst in die Zusammenhänge mit anderen Todesfällen. Das kann helfen, die COVID-19 Krankheit und das Coronavirus als eine leistbare Herausforderung zu sehen und ihre Bedeutung realistisch einzuschätzen. Es geht mir also um eine realistische Einschätzung der Corona-Pandemie im Spannungsverhältnis von Ethik und Profit. Besser als Überwachung und Staatskontrolle ist Freiheit in sozialer Verantwortung und die Beteiligung der Menschen geeignet, die Krise zu bewältigen.

1. Die Situation in Deutschland

Das alltägliche Sterben

Jeden Tag sterben in Deutschland etwa 2.500 Menschen, davon 930 Personen durch Herz-Kreislauferkrankungen, 650 durch Krebs und 190 an Krankheiten des Atmungssystems. Von Dezember bis März, also in den kalten Jahreszeiten sind es durchschnittlich etwas mehr Todesfälle, im Sommer weniger.

Ausgelöst durch Bakterien und Viren erkranken täglich 1.500 bis 1.900 Menschen an einer Lungenentzündung. Die Diagnose lautet: Pneumonie. Etwa 800 betroffene Patienten kommen damit in ein Krankenhaus und für 80 Personen endet die Krankheit tödlich: An Lungenentzündung sterben also in Deutschland jährlich 30.000 Bürgerinnen und Bürger.

Auch die Tuberkulose ist nicht verschwunden. Jährlich erkranken daran 5.000 bis 6.000 Menschen und 2018 starben dadurch 129 Patienten vornehmlich im hohen Alter. Mit HIV sind etwa 90.000 Personen infiziert, jährlich kommen 2.500 dazu und in 2018 starben daran etwa 450 Menschen. Mit diesen Zahlen oder besser Patientenschicksalen geht die Medizin täglich routiniert und, soweit sie es kann, auch heilsam um.

Das Coronavirus

Gegenwärtig haben wir in Deutschland (Coronavirus Monitor und RKI Daten vom 5.4.2020) 100.024 Infektionsfälle durch das neue SARS-CoV-2 Virus, also gesicherte Corona-Infektionen. Der tägliche Zuwachs der letzten Woche seit dem 29.3.2020 lag bei 7.470, 4.860, 6.794, 7.009, 6.368, 4.933 und am 5.4.2020 bei 4.410 Fällen. Die festgestellten SARS-CoV-2 Infektionen nehmen kontinuierlich zu. Die täglichen Zuwächse gehen zurück und liegen jetzt unter 5.000. Das ist kein exponentielles Wachstum mehr. Dahinter kann aber dennoch eine fast exponentielle Wachstumskurve der Infektionen laufen, da nur gemessen wird, wenn Krankheitssymptome auftauchen. Infektionen bei gesunden Personen werden somit nicht entdeckt. 1.576 Personen sind seit dem 10.3.2020 verstorben. Die Zahl der täglichen Toten nimmt nicht mehr zu. Vom 19.3. bis zum 25.3. waren es weniger als 50 Tote täglich, vom 26.3. bis zum 31.3 waren es durchschnittlich 80 Todesfälle, am 1.4.2020 plötzlich 207, am 2.4. dann 198, am 3.4. nur 168, am 4.4. dann 152 und jetzt am 5.4. nur 132 Todesfälle. Bereits wieder gesund geworden sind 26.469 Personen.

Leider gibt es keine Statistik über die laufenden Krankenhausbehandlungen. Berlin meldet am 5.4.2020, dass 3.687 Personen infiziert sind. Im Krankenhaus isoliert und behandelt werden 507 Personen und 126 Menschen benötigen intensivmedizinische Behandlung. Alle anderen Personen sind häuslich isoliert. Insgesamt 26 Patienten sind verstorben. Von den Berliner Verhältnissen hochgerechnet wären schätzungsweise 13.000 Patienten deutschlandweit im Krankenhaus und etwa 3.200 Patienten auf der Intensivstation.

Wir wissen nicht genau, wie sich die Infektion in der Bevölkerung ausbreitet, da eben viele Menschen ohne Symptome mit dem Virus fertig werden und nicht an COVID-19 erkranken. Die Zahlen der infizierten und verstorbenen Corona-Patienten sind im Vergleich zum sonstigen Infektionsgeschehen mit 80 täglichen Todesfällen durch bakterielle oder virale Lungenentzündungen und 160 täglichen Todesfällen durch Krankheiten des Atemsystems noch nicht dramatisch. Jeden Tag sterben in Deutschland 2.500 Menschen und davon 1.250 im Krankenhaus. Täglich infizieren sich 1.600 Patienten mit Krankenhauskeimen und 30 bis 60 Todesfälle pro Tag gehen darauf zurück. Mehr als 200 tägliche Todesfälle durch Covid-19 Kranke wären ein Problem. Allerdings wird bei den Corona-Todesfällen nicht unterschieden, ob die Patienten nur mit oder ursächlich durch das Coronavirus gestorben sind. Covid-19 verursacht nur 5 Prozent der täglichen Todesfälle. Damit wird der Rahmen des üblichen Sterbegeschehens in Deutschland noch nicht gesprengt. Unklar ist, ob die Corona -Todesfälle tatsächlich mehr Sterben verursachen oder an die Stelle anderer Todesursachen treten.

Wir müssen allerdings mit einem starken Wachstum der Coronavirus Erkrankungen rechnen. In den kommenden Monaten werden sich gut 50 Millionen Menschen in Deutschland mit dem Coronavirus infizieren. Die Ausbreitung lässt sich nicht stoppen, nur bremsen. Wenn sich die Ausbreitung auf 10 Monate verteilt, wären dies 5 Millionen infizierte Menschen von denen 10% bis 20%, also eine halbe bis eine Million Krankheitssymptome entwickeln. Schwer krank würden 100.000 bis 200.000 Menschen mit intensivmedizinischem Behandlungsbedarf. Bei einer Mortalität von 1,0 Prozent der erkrankten Personen würden monatlich 5.000 Menschen sterben. Eine solche Epidemie beansprucht die vorhandenen Kapazitäten des Gesundheitssystems voll, braucht alle vorhandenen Betten und produziert damit ein echtes Versorgungproblem. Je langsamer sich die Infektionen also ausbreiten, desto einfacher ist die notwendige Versorgungsaufgabe zu bewältigen. Das rechtfertigt die jetzt erfolgten und bis zum 20. April vorgesehenen Maßnahmen der sozialen Distanz und Kontaktvermeidung (Social Distancing).

Das Gesundheitswesen in Deutschland weist insgesamt 500.000 Krankenhausbetten aus. Wegen der Corona-Krise wurde die Zahl der Intensivbetten von etwa 28.000 auf rund 40.000 erhöht. Etwa 30.000 sind mit Beatmungsgeräten ausgerüstet. Knapp 20 Millionen Behandlungsfälle fallen jährlich an. Auf zwei Jahre verteilt oder auch bei einer hohen Zahl symptomfreier Menschen, deren Infektion gar nicht gemessen wird, ist das Coronavirus eine überschaubare Herausforderung. Wenn sich die jetzigen Zahlen verfünffachen wären 60.000 Krankenhausplätze und 15.000 Intensivbetten notwendig. Das lässt sich bewältigen. Eine solche Größenordnung an Patienten wurde auch bei der Grippeepidemie 2017/18 versorgt. Es sieht jetzt so aus, dass sich die Verbreitung der Infektionen verlangsamt. Die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen sind schwer kranke und ältere Menschen. Sie müssen wirksam geschützt werden.

 Die ständigen Infektionskrankheiten

Die jährlichen Grippewellen und auch die bakteriellen Infektionskrankheiten verursachen für unsere Krankenhäuser seit Jahren schon Belastungen und Herausforderungen in einer vergleichbaren Dimension, auch wenn die Lungenkrankheit COVID-19 schwerer und langdauernder abläuft.

Die Grippesaison 2019/20 hat nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bis Ende März 2020 insgesamt 181.912 Influenzafälle labordiagnostisch bestätigt. Die Zahl der Menschen, die wegen Influenza eine Haus- oder Kinderarztpraxis aufgesucht haben, schätzen die Grippe-Experten auf 4,2 Millionen. Über 29.000 Patienten wurden hospitalisiert und 377 Menschen sind an Influenza verstorben. Einen Höchstwert mit 20.629 neuen Grippefällen und schätzungsweise 60 Todesfällen täglich verzeichnete die Woche vom 1.2. bis zum 7.2.2020. Unter Einbezug der Dunkelziffer, müssen wir für die laufende Saison 2019/20 mit etwa 4.000 Todesfällen in der Kombination von Influenzaviren und schweren chronischen Erkrankungen rechnen. Die Grippeviren ebenso wie das Coronavirus verkürzen oft einen ohnehin bereits laufenden Sterbeprozess, gefährdet sind Menschen mit schweren chronischen Krankheiten wie Krebs, Diabetes, COPD oder Herzinsuffizienz.

Die Grippesaison 2017/18 war mit 25.100 Todesfällen durch Influenza die schlimmste Grippewelle seit 30 Jahren. Rund neun Millionen Arztbesuche waren damals zu verzeichnen. 5,3 Millionen Menschen wurden arbeitsunfähig krankgeschrieben oder als pflegebedürftig beurteilt. Geschätzt wird, dass sich damals 25 Millionen innerhalb von 15 Wochen angesteckt haben. Die Anzahl der Infizierten hat sich also alle 4 Tage verdoppelt. Besonders betroffen war die Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen. Die Anzahl der Krankenhausbehandlungen umfasste 60.000 Menschen ab dem 35. Lebensjahr. Das RKI meldete aber nur 334.000 labordiagnostisch bestätigte Influenza-Kranke und 1.674 nachweislich daran verstorbene Patienten. Unter Einbezug der Dunkelziffern wurde berechnet, dass es durch die Influenza zu den 25.100 vorzeitigen Todesfällen in Kombination mit anderen schweren Erkrankungen gekommen war. Das sind dann in der gesamten Grippesaison täglich 140 Todesfälle. Die meisten Todesfälle konzentrierten sich auf eine Zeit von acht Wochen von Mitte Januar bis Mitte März und es sind damals an einzelnen Tagen auch mehr als 500 Patienten verstorben. Das relativiert keinesfalls die 1.576 Todesfälle der Corona-Pandemie. Es zeigt nur, welche Versorgungsleistungen erbracht werden können.

In Berlin starben 1.130 Patienten und im Februar bis zu 40 Patienten täglich an dieser Influenza Pandemie. Das zeigt im Vergleich zu den 26 verstorbenen COVID-19 Patienten auch die bereits bewältigten Herausforderungen des Berliner Gesundheitswesens.

Schlussfolgerung

Wenn die Verbreitung der Coronaviren wirksam verzögert wird und eine wachsende Immunisierung großer Bevölkerungskreise längerfristig über zwei Jahre erfolgt, ist das Geschehen vom Gesundheitswesen zu bewältigen. Es wird schwierig, aber nicht unbeherrschbar bedrohlich. Der Höhepunkt der Herausforderung tritt vermutlich von Mai bis Juli 2020 ein und dann kommt ähnlich wie bei der Grippe ein kontinuierliches, aber nicht außergewöhnliches Krankheitsgeschehen. Darauf können wir uns in der Krankenversorgung vorbereiten und einstellen. Es hängt alles von dem Zeitpunkt ab, bei dem die gegenwärtig täglich steigenden Zahlen sich stabilisieren und wieder zurückgehen.

Bis zu 200 Todesfälle täglich durch Lungenentzündungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus fallen noch nicht aus dem Rahmen des Sterbens, das täglich in Deutschland geschieht. Die anderen Infektionskrankheiten sind ebenfalls in diesem Umfang tödlich und bezogen auf die 2.500 täglichen Todesfälle in Deutschland würden selbst mehr als 200 zusätzliche Todesfälle durch das Coronavirus noch in einer bekannten Größenordnung liegen. Die Grippeepidemie 2017/8 ging über sechs Monate mit 140 Todesfällen pro Tag einher und an einzelnen Tagen sind mehrere hundert Patienten verstorben. Damals ist darüber öffentlich nicht berichtet worden und es gab keine Schlagzeilen zum täglichen Sterben durch Influenza Viren.

Die Angst und Panik im Umgang mit der aktuellen Situation werden durch solche Vergleiche nicht gemindert. Die tägliche Katastrophenberichterstattung zu den einzelnen Todesfällen im Zusammenhang mit dem Coronavirus wirkt aber realitätsfremd und vermittelt ein Gefährdungsgefühl, das die Verhältnisse verdunkelt, die Menschen verängstigt und ihnen keine Transparenz der Situation vermittelt. „Die Nennung von Fällen ohne Bezugsgrößen ist irreführend“, sagt das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. in seiner Stellungnahme: Die Nennung der Toten durch das Coronavirus ohne Bezug zu anderen Todesursachen führe zur Überschätzung des Risikos. „Die Angaben zu den Todesfällen durch Covid-19 sollten daher entweder die täglich oder wöchentlich verstorbenen Personen mit Angabe der Gesamttodesfälle in Deutschland berichten. Auch ein Bezug zu Todesfällen durch andere akute respiratorische Infektionen wäre angemessen.“

Da durch COVID-19 überwiegend ältere und kranke Menschen versterben, wäre gerade ein Vergleich mit den anderen akuten Lungenkrankheiten und Lungenentzündungen sinnvoll. An der Grippe verstarben in diesem Winter täglich 50 Menschen und in früheren Jahren waren es manchmal auch über 500 Tote. Das Robert Koch-Institut schätzt nach einer Studie aus 2019, dass es jährlich bis zu 600.000 Krankenhausinfektionen gibt. Die Zahl der durch Krankenhauskeime verursachten Todesfälle liegt danach bei 10.000 bis 20.000 pro Jahr oder 30 bis 60 pro Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene hält eine Million im Krankenhaus gesetzte Infektionen und mindestens 30.000 Todesfälle pro Jahr für realistisch.

Die Mitteilung der Corona-Toten bezogen auf die sonstigen Todesfälle durch Infektionskrankheiten und andere Ursachen wäre eine gute, die Menschen aufklärende Risikokommunikation. „Heute starben in Deutschland 2.600 Menschen, darunter 190 an Lungenkrankheiten und 132 durch die COVID-19 Krankheit“ hört sich anders an und wirkt auch anders al die bisher erfolgten Katastrophenmeldungen. Ohne einen Vergleich zum täglichen Sterben in der Bevölkerung wird eine falsche Realitätssicht induziert und den Menschen das Gefühl vermittelt, dass das Coronavirus die einzige Gefahr für das Leben wäre. Das macht Angst und Stress. Psychosozialer Stress ist ein Faktor, der das individuelle Immunsystem und damit die individuelle wie soziale Abwehrlage auch gegenüber dem Coronavirus beeinträchtigt. Die Panik, Angst und Einsamkeit entwickelt sich dann zu einem eigenen Krankheitsfaktor insbesondere bei älteren und sozial vernachlässigten oder vereinsamten Menschen.

 

2. Die Verhältnisse in Italien, Südkorea und in der ganzen Welt

Die Katastrophe in Italien

Das Geschehen in Italien beängstigt immer noch. Italien meldet mit Stand vom 5.4.2020 insgesamt 128.948 Coronavirus-Fälle. Die täglichen Zuwächse ab dem 28.3.lagen bei 11.883, 7.000, 3.650, 4.453, 4.782, 4.668, 4.585, 4.805 und am 5.4.2020 bei 4.410 Fällen. Italien erlebt eine Trendwende, da die Neuinfektionen im Vergleich zu den ersten Märzwochen sinken. Bereits wieder gesund sind 21.815 Patienten. Insgesamt 15.887 Patienten sind verstorben. Die zugenommenen Zahlen der täglichen Todesfälle ab dem 28.3.2020 betrugen 889, 756, 812, 837, 727, 760, 766, 651und am 5.4.2020 dann 525 Fälle. Das ist immer noch dramatisch, da diese Corona-Toten die täglichen Sterbefälle in Italien um 20 bis 40 Prozent erhöhen. Jetzt aber zeigt sich ein Trend nach unten. Erstmals seit vier Wochen sinkt die Zahl der Intensivpatienten.

Das Versorgungssystem in Italien war der aktuellen Herausforderung, nach den vorhandenen Berichten über die Verhältnisse in den Krankenhäusern, nicht gewachsen. Wesentlich ist, dass regionale Zuspitzungen der Krankheitszahlen auch regionale Überlastungen ebenso wie Dekompensationen des jeweiligen regionalen Systems zur Folge haben. Auch junge Ärzte und Krankenschwestern sterben durch das Coronavirus und die dadurch verursachten Lungenentzündungen. Bisher sind etwa 120 mit dem Virus infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitssystems, darunter 70 Ärzte, 20 Krankenschwestern und Pfleger gestorben. Mehr als 10 000 Beschäftigte im medizinischen Sektor, etwa in Krankenhäusern, Praxen und Labors, haben sich mit Sars-CoV-2 angesteckt. Die meisten Mediziner starben in der Region rund um Bergamo. Viele der infizierten Mediziner sind Hausärzte, die ungeschützt in den Kontakt mit den Patienten kamen.

In der Provinz Bergamo sterben an normalen Tagen nur etwa 30 und in einem Monat nur etwa 900 Menschen. Wenn nun plötzlich in einem Monat bis zu tausend Todesfälle mehr durch COVID-19 Erkrankungen anfallen, ist dies unfassbar. In der Stadt Bergamo selbst sterben täglich etwa 4 bis 6 Menschen. 40 bis 60 Tote an einem Tag sind schlimm und machen hilflos. Unter normalen Verhältnissen verzeichnet die Lombardei etwa 200 Sterbefälle pro Tag. Am 23.3.2020 waren es zusätzlich 320 Corona-Sterbefälle. Über 60% der Corona-Todesfälle aus Italien sind Menschen aus der Lombardei. Die kleine Stadt Nembro nahe Bergamo mit ihren 11 500 Einwohnern erlebt unter normalen Zeiten 2 bis 3 Todesfälle pro Woche. Ende März starben 20 bis 30 Menschen pro Woche, also 10 bis 20-mal mehr. Die Situation in Italien ist katastrophal und die Ärztinnen, Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger sind in einer nicht mehr ertragbaren Lage.

Wir können trotzdem die italienischen Verhältnisse ebenso wie in Deutschland mit dem normalen Sterbegeschehen vergleichen, um die Sterbefälle durch das SARS-CoV-2 Virus in ihrer Bedeutung besser einzuschätzen. Jeden Tag sterben in Italien etwa 1.800 Menschen und davon 700 Personen durch Herz-Kreislauferkrankungen, 490 durch Krebs und 140 an Krankheiten des Atmungssystems. Bakterielle oder virale Lungenentzündungen verursachen täglich etwa 60 und über das ganze Jahr verteilt insgesamt 22.500 Todesfälle. Die Corona-Fälle steigern zurzeit die schweren Lungenentzündungen um das 5 bis 10 fache der sonst üblichen Häufigkeiten. Die regionale Ballung des Geschehens verursacht in der Lombardei nicht 10 Todesfälle täglich durch eine Lungenentzündung, sondern insgesamt etwa 300 am Tag. Aber insgesamt sind die Todesfälle bezogen auf die Gesamtsterblichkeit immer noch gering. In Italien sterben pro Jahr etwa 630.000 Personen. Die jetzigen Todesfälle durch COVID-19 liegen damit in der Größenordnung von 2,4 Prozent.

Die aktuellen Daten aus Italien zeigen nicht, wie hoch die Infektionsraten mit SARS-CoV-2 tatsächlich sind und ob die täglichen Sterbefälle im ganzen Land jetzt bei 2.500 liegen, das Coronavirus also im Vergleich zu den sonstigen tödlichen Krankheiten tatsächlich viele zusätzliche Fälle produziert. Wissenschaftler sprechen von Übersterblichkeit, wenn in einem Jahr überdurchschnittliche Todeszahlen durch eine neue Krankheit zu verzeichnen sind. Nach den Zuständen in einigen Krankenhäusern in Norditalien ist davon auszugehen, dass es regional eine hohe Übersterblichkeit und dort sogar eine Verdoppelung und Verdreifachung der täglichen Todesfälle gibt. Jetzt tritt langsam ein Rückgang der bisher täglichen Infektions- und Sterbezahlen ein. Der Europäische Sterblichkeitsbericht des EuroMOMO Projektes, an dem 24 europäische Länder beteiligt sind, verzeichnete Ende März 2020 einen Anstieg der Sterbefälle in Italien und in Spanien, der aber unter den Anstiegen früherer Grippewellen liegt. In den anderen Ländern ist noch keine erhöhte Sterblichkeit zu erkennen.

Nach den Angaben des italienischen Nationalen Gesundheitsinstituts ISS am 31.3.2020 liegt das Durchschnittsalter der positiv-getesteten Verstorbenen in Italien derzeit bei circa 81 Jahren. 80% der Verstorbenen sind über 70 Jahre alt der Altersdurchschnitt liegt bei 80 Jahren. 80% der Verstorbenen hatten zwei oder mehr chronische Vorerkrankungen. Bei 50% sind drei oder mehr chronische Erkrankungen vorhanden. Zu den chronischen Vorerkrankungen zählen insbesondere Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes, Atemprobleme und Krebs. Bei weniger als 1% der Verstorbenen handelte es sich um gesunde Personen, die durch die Corona-Infektion zu Tode kamen. Nur circa 30% der Verstorbenen sind Frauen. In vielen Fällen ist unklar, ob die Personen am Virus starben oder an ihren chronischen Vorerkrankungen. Bei den zwei italienischen Verstorbenen unter 40 Jahren (beide 39 Jahre alt) habe es sich um einen Krebspatienten sowie um einen Diabetes-Patienten mit weiteren Komplikationen gehandelt. Auch hier ist die genaue Todesursache noch nicht klar.

Der Erfolg in Südkorea

Italien hat 60 Millionen Einwohner, Südkorea 50 Millionen. Ähnlich und früher betroffen als Italien verzeichnet Südkorea am 5.4.2020 insgesamt aber nur 10.237 Coronavirus-Fälle, 6.463 bereits wieder gesunde Patienten und 183 Todesfälle. Ebenso wie China, Taiwan, Hongkong und Singapur hat auch Südkorea die Coronavirus-Infektionen weitestgehend unter Kontrolle gebracht. Mit drakonischen Maßnahmen erreichte dies China. Die anderen Staaten setzten stattdessen auf die Information der Bevölkerung, viele und vor allem leicht zugängliche Virentests und auf schnelle Entscheidungen bei vorhandenen Infektionen. Durch die Daten der individuellen Mobilfunkgeräte können Kontakte verfolgt und die kontaktierten Personen informiert werden, wenn eine Infektion festgestellt wurde. Das soziale Leben musste dabei nicht komplett gestoppt und eine totale Isolation für Regionen und Gruppen ebenfalls nicht angeordnet werden. Auch Ausgangssperren unterblieben.

Die Menschen hielten sich in Südkorea aus eigenem Antrieb an die Regeln der allgemeinen Hygiene. Jetzt sind die Neuinfektionen in der Größenordnung von weniger als 100 Fällen täglich. Die flächendeckenden Testkapazitäten sind eine Folge der Erfahrungen mit dem SARS-assoziierte Coronavirus und der dadurch ausgelösten Pandemie 2002/2003 in Asien und der Epidemie durch das MERS-Coronavirus, das sich 2015 und 2016 in Südkorea besonders verbreitet hatte. Dadurch waren Staat und Bevölkerung sensibilisiert und vorbereitet. Mehr als 500 Testkliniken darunter 40 Drive-in-Stationen haben hinreichend schnelle und allgemein verfügbare Tests ermöglicht.

Die konsequente Früherkennung infizierter Personen unterstützt durch Informationstechnologie hat auch geholfen, die Krankheit schnell zu behandeln und Todesfälle zu minimieren. Staatliches Handeln und die selbstverständliche Anstrengung der betroffenen Menschen, also bürgerschaftliche Selbstorganisation hilft real, die Epidemie zu bewältigen. Der Virologe Christian Drosten spricht dazu von Mikromanagement, also der aktiven Beteiligung der betroffenen Personen und dem Vertrauen in ihre soziale Verantwortlichkeit.

Die globale Lage

Weltweit sind gegenwärtig 1.263.967 Menschen mit dem SARS-CoV-2 Virus infiziert (Stand vom 5.4.2020). Die Zahl umfasst die bestätigten Messungen. Fachleute gehen aber davon aus, dass in den einzelnen Ländern etwa 10-mal mehr Menschen symptomfrei oder nur mit leichten Beschwerden infiziert wurden. Wieder gesund geworden und die Covid-19 Krankheit überwunden haben 257.153 Personen. Am Coronavirus gestorben sind bisher weltweit 69.063 Menschen. Täglich kommen etwa 6.000 Todesfälle dazu.

Die Corona-Pandemie umfasst in Europa am 5.4.2020 insgesamt 672.062 bestätigte Infektionen. Der tägliche Zuwachs liegt bei mehr als 40.000 Personen. Vermutlich sind aber weit mehr als zwei Millionen Menschen infiziert. Als wieder gesund werden 122.002 Personen gemeldet. Insgesamt 49.664 Menschen sind gestorben. Ab dem 28.3. waren es täglich 2.747, 2.673, 2.524, 3.414, 3.452, 4.815, 4.225, 3.858 und am 5.4.2020 dann 3.119 mehr Todesfälle. Täglich sterben 3.000 bis 4.000 Menschen in Europa im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Italien meldet am 5.4.2020 insgesamt 15.887 Todesfälle, Spanien 12.318, Frankreich 8.078, Großbritannien 4.934, Niederlande 1.766, Deutschland 1.576, Belgien 1.447, Schweiz 715, Schweden 401 und Österreich 204 Todesfälle. Die USA verzeichnen 9.429, der Iran 3.603 und Japan 77 Todesfälle.

Die bedeutsamen Infektionskrankheiten: Tuberkulose und HIV

Es ist sinnvoll und lässt das Corona-Geschehen einordnen, wenn wir die jetzigen Daten auf andere Krankheiten beziehen. Weltweit gehört immer noch die Tuberkulose neben HIV/AIDS und Malaria zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des RKI erkranken jährlich 10 Millionen Menschen an einer Tuberkulose und etwa 1,5 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen dieser Krankheit, oftmals aufgrund einer unzureichenden Behandlung. Die Tuberkulose ist weltweit die tödlichste Infektionskrankheit bei Jugendlichen und Erwachsenen und die führende Todesursache bei HIV-Infizierten.

Auf Europa entfallen etwa 5% aller weltweit auftretenden Tuberkulose-Neuerkrankungen. Das sind dann 450.000 Infektionen und 70.000 Todesfälle pro Jahr. Für Europa ist auch die Tuberkulose die bedeutsamste Infektionskrankheit. Deutschland verzeichnete im Jahr 2018 insgesamt 5.429 Tuberkulose-Erkrankungen und 129 Todesfälle. Ende 2018 lebten weltweit 37,9 Millionen Menschen mit HIV und neu in diesem Jahr infizierten sich 1,7 Millionen Menschen. 770.000 Menschen sind im Zusammenhang mit ihrer HIV-Infektion gestorben. In Deutschland starben 2018 an HIV 440 bis 460 Patienten.

Das jährliche Sterben durch Tuberkulose oder das Aids-Virus übersteigt bei Weitem die gesundheitliche Bedeutung des Coronavirus zum jetzigen Zeitpunkt in Europa und noch mehr weltweit.

Pandemien und Epidemien

Die Spanische Grippe durch das Influenzavirus A/H1N1 von 1918 bis 1920 führte weltweit zu 20 bis 50 Millionen Todesfällen. Von 1957 bis 1958 hat die Asiatische Grippe mit dem Influenzavirus A/H2N2 eine bis vier Millionen Tote verursacht. In Deutschland starben dadurch 29.000 Menschen. Von 1968 bis 1970 ging die Hongkong Grippe mit dem Influenzavirus A/H3N2 ebenfalls mit ein bis vier Millionen Todesfällen einher. In Deutschland starben daran 30.000 Menschen. Die Russische Grippe mit dem Influenzavirus A/H1N1 tötete 1977 und 1978 weltweit 700.000 Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche. Die SARS-CoV Pandemie mit einem Coronavirus von 2002 und 2003 verzeichnete aber nur 774 Todesfälle. Diese erste Pandemie des 21. Jahrhunderts war ein Medienereignis und beängstigte die Menschen weltweit und vor allem auch in Europa. Außerhalb Asiens starben aber nur 45 infizierte Menschen. Deutlich wurde, wie sich in einer vernetzten und globalisierten Welt Infektionskrankheiten verbreiten und gefährliche Auswirkungen haben können.

Die Vogel-Grippe mit dem Influenzavirus A/H5N1 führte von 2004 bis 2016 weltweit zu 450 Todesfällen und die Schweine-Grippe von 2009 bis 2010 ging nach Schätzungen mit 100.000 bis 400.000 Toten einher. In Deutschland starben dadurch 258 Menschen. Die MERS-CoV Virusgrippe 2012 bis 2013 hatte über 850 Todesfälle verursacht und die Ebola Viruskrankheit tötete von 2014 bis 2016 in Westafrika 11.316 und 2018 im Kongo und in Uganda 1.600 Menschen.

Grippewellen

Die Influenza geht in Deutschland und Europa jährlich mit mehreren tausend Todesfällen einher, vor allem an den Folgen einer Lungenentzündung durch bakterielle Superinfektion. Die Übersterblichkeit durch Influenza betrug in Deutschland für 1995/96 etwa 30.000, für 2012/2013 etwa 29.000 und für 2017/18 etwa 25.000 zusätzliche Todesfälle. Europa hatte bei diesen schweren Influenza Epidemien schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Grippetote zu verzeichnen. Die Influenza wird durch Grippeviren ausgelöst. Erkältungen oder „grippale Infekte“ dagegen werden von zahlreichen Erregern verursacht. In Deutschland kommt es in den Wintermonaten nach dem Jahreswechsel zu Grippewellen mit unterschiedlicher Ausbreitung und Schwere, an denen verschiedene Virusarten und auch Coronaviren beteiligt sind. Influenzaviren verändern sich ständig und bilden häufig neue Varianten. Durch diese Änderungen kann man sich im Laufe seines Lebens öfter mit Grippe anstecken und erkranken. Deshalb muss auch der Influenza-Impfstoff nahezu jedes Jahr neu angepasst werden. Er wirkt nie gegen alle, sondern nur gegen einen Teil der virulenten Grippeerreger.

Schlussfolgerung    

Viren kommen, sie verändern sich, Viren gehören zum Leben. Nicht alle Viren in unserer Umgebung befallen den Menschen. Und nicht alle Viren, die den Menschen befallen, machen krank. Ein gesundes Immunsystem reagiert schnell und bekämpft die Eindringlinge oft mit Erfolg. Für einen Tierarzt sind Coronaviren etwas Alltägliches. Viren, die in der Natur und Tierwelt vorkommen, können die Grenze zu einem menschlichen Organismus überschreiten. Das passiert regelmäßig. So kommen dann neue Varianten bereits bekannter Viren unter die Menschen. Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist jetzt da und wird wie die Grippeviren bleiben. Seine Aggressivität ist gegenwärtig etwas höher als die der Influenza Viren und deshalb verbreitet es sich so schnell. Mit der Zeit und mit einer fortschreitenden Immunisierung vieler Menschen wird die Gefährlichkeit abnehmen und dann ist es ein Krankheitserreger wie viele andere Viren auch, die kommen und gehen.

Das Masernvirus ist so gekommen, die Kinderlähmung, Röteln, Mumps, Keuchhusten, Ebola, Aids oder die zahlreichen Influenzaviren. Die SARS- und MERS-Coronaviren sorgten 2003 und 2012 für öffentliche Aufmerksamkeit, andere Coronaviren sind nur Fachleuten bekannt und zirkulieren auch seit Jahren als Erkältungsviren in der Bevölkerung. Jedes Jahr verursachen die Grippe- und Influenzaviren weltweit zwischen 290.000 und 645.000 Todesfälle schätzt ein internationalen Forschernetzwerks unter Federführung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. Das österreichische Ärztezeitung (ÖÄZ2020/4) berichtet am 25.2.2020, dass die jährliche Mortalität infolge von Influenza in Europa auf etwa 45.000 Todesfälle geschätzt wird. Das seien elf Prozent der weltweiten Influenza-Mortalität. Vor allem Kinder unter fünf Jahren und Erwachsene über 65 Jahren sind betroffen. Im Zeitraum von 1999 bis 2015 wurden 34,1 Prozent der hospitalisierten Fälle intensivmedizinisch behandelt. Die Mortalität der Krankenhauspatienten lag bei 12,1 Prozent, wobei ältere Patienten mit 18 Prozent die höchste Sterblichkeit aufwiesen

COVID-19 hat jetzt die jährlich anfallende durchschnittliche Grippemortalität in Europa erreicht, aber noch nicht die Todeszahlen von schweren Grippewellen wie 2017/18 oder 2012/13. Wenn gegenwärtig nur 10 Prozent der infizierten Personen durch die Messungen erreicht werden, ist die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die jetzige Pandemie eine tödliche Wirkung entfaltet, die mit schweren Grippepandemien vergleichbar ist. Dann könnten in Europa wie bei der nicht als spektakulär empfundenen Influenzawelle 2017/18 insgesamt bis zu 450.000 und in Deutschland bis zu 30.000 Todesfälle auftreten. Es gibt aber auch eine gute Wahrscheinlichkeit, dass es nicht so schlimm kommt.

3. Ausblick

Auch SARS-CoV-2 wird nach dem jetzigen Ausbruch relativ bald in der Bevölkerung eine Basisimmunität anregen und dann immer wieder zu Erkrankungsfällen führen. Das ist jetzt schon daran zu erkennen, dass Kinder und junge Erwachsene nach einer Corona-Infektion kaum schwer erkranken. Wir werden künftig ein weiteres Erkältungsvirus haben und damit so gelassen umgehen wie mit den bisherigen Erkältungsviren vom Nicht-Influenza Typ. Wir wissen aber noch nicht, wie lange der erste Ausbruch des SARS-CoV-2 Virus unterwegs ist, bis er vierzig bis siebzig Prozent der Bevölkerungen infiziert und immunisiert hat. An diesem Virus werden aber genauso alte, beeinträchtigte und hinfällige Menschen sterben wie an Lungenentzündungen und allgemeinem Organversagen auch bisher schon. Mit 80 bis 100 Todesfällen durch Lungenentzündung täglich in Deutschland und 60 bis 70 Todesfällen täglich in Italien ist das ein Teil des normalen und natürlichen Sterbegeschehens. In Italien wird diese Vergleichszahl deutlich überschritten und 10-mal mehr tödliche Lungenentzündungen pro Tag, als bisher gewohnt, erklärt die drastischen Maßnahmen und die bedrohliche Situation insbesondere in der Lombardei. In Deutschland ist das „Social Distancing“ jetzt umgesetzt und kommt im laufenden Epidemie Prozess vergleichbar früher als in Italien. Nach den Erfahrungen in Südkorea kann konsequente öffentliche Aufklärung, schnell zugängliche und breit angelegte Messungen und vor allem bürgerschaftliche Selbstorganisation wirksam zur Eindämmung der Infektionsausbreitung beitragen.

Es ist noch unklar, ob das Coronavirus Sars-CoV-2 anders und gefährlicher ist als andere Coronaviren, die grippeähnliche Symptome machen. Ganz sicher ist es weniger tödlich als die Coronaviren Sars-CoV in den Jahren 2002/3 und Mers-CoV in 2012/3. Die Wissenschaftler schätzen die Lage unterschiedlich ein. Seriöse Epidemiologen weisen darauf hin, dass Coronaviren als typische Erreger von Erkältungskrankheiten jedes Jahr für Millionen von Infektionen verantwortlich sind und diese banalen Erkältungskrankheiten in bis zu 8% der betroffenen, älteren und multimorbiden Menschen tödlich enden. Der einzige Unterschied zu SARS-CoV-2 könnte sein, dass die Infektionen mit anderen Corona- und Influenzaviren bisher nicht umfassend gemessen wurden. Mit 25.000 und mehr zusätzlichen Todesfällen rechnen andere Experten. Die Lungenentzündungen durch das Coronavirus benötigen längere Behandlungszeiten auf Intensivstationen als die durch Influenza Viren.

Die epidemiologische Situation in Südkorea macht Hoffnung, in Italien ebenso wie in Spanien scheinen jetzt katastrophalen Verhältnisse nachzulassen. Entscheidend wird letztlich sein, ob das Sterben am Coronavirus Sars-CoV-2 die täglichen Todesfälle insgesamt erhöht und wirklich mehr Sterben als normal zur Folge hat. Das Deutsche Netzwerk EbM kommt zu folgendem Fazit: „Es gibt insgesamt noch sehr wenig belastbare Evidenz – weder zu COVID-19 selbst noch zur Effektivität der derzeit ergriffenen Maßnahmen. Aber es ist nicht auszuschließen, dass die COVID-19 Pandemie eine ernstzunehmende Bedrohung darstellt, und NPIs (nicht-pharmakologische Interventionen) – trotz weitgehend fehlender Evidenz – das einzige sind, was getan werden kann, wenn man nicht einfach nur zusehen und hoffen will.“

 Soziale Gesundheit

Ein gravierendes Problem allerdings bleibt: Robert Koch, der Namensgeber des RKI, sagte bei seinem Nobelpreis Vortrag zum Beziehungsverhältnis von Krankheitserreger und Menschen: „Das Bakterium ist nichts, der Wirt ist Alles.“ Der Arzt und Infektiologe Louis Pasteur war der gleichen Meinung: „Das Bakterium ist nichts, das Milieu ist alles.“ Der Sozial- und Umweltmediziner Max von Pettenkofer trank im Jahr 1892 öffentlich eine Flüssigkeit voller Cholerabazillen und blieb gesund. Er wollte zeigen, dass die Lebenswelt der Menschen für die Cholerakrankheit entscheidend sei. Und tatsächlich: Die Infektionskrankheiten wurden nicht durch die Segnungen der Medizin, sondern durch die gesellschaftliche Entwicklung gesunder Lebensverhältnisse besiegt. Pasteur, Virchow, Pettenkofer und Koch, die Helden der naturwissenschaftlichen Medizin, sorgten mit politischer und medizinischer Courage für „saubere Städte“ und gesündere Lebensräume und damit für ein neues Gleichgewicht zwischen Bakterien, Menschen und ihrem Gemeinwesen.

„Das Virus ist nichts, der individuelle Mensch ist alles“, gilt es jetzt zu erkennen. Wir können Glück haben und aus der Corona-Krise mit einem Neuen Bewusstsein und einer neuen Beziehungskultur herauskommen.Das Virus spiegelt die Gefahren einer „kontaktreichen Beziehungslosigkeit“ und einer rivalisierenden wie konkurrierenden Konsumwelt von selbstbezogenen und rücksichtslosen Individuen, die das Geld zum einzigen Maßstab und Wert erhoben haben. Corona ist ein Menetekel, eine unheilverkündende Warnung vor einem falschen Weg in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Psychosozialer Stress, Ängste, Einsamkeit oder Ausgrenzung schwächen das individuelle und erst recht auch das soziale Immunsystem. Die junge Wissenschaft der Psychoneuroimmunologie belegt, dass Lebenszufriedenheit, möglichst viel positive Gefühle, gute Beziehungen, das Gefühl von Durchblick, Selbstbestimmung, Lebenssinn und Geborgenheit in der Gemeinschaft das Immunsystem stärkt und unsere Abwehrkraft gegen Viren oder Bakterien verbessert. In der Krise entscheidet sich, ob die Solidarität nach innen und außen die Oberhand gewinnt oder Egoismus und Selbstgerechtigkeit obsiegen.

Die Corona-Krise zeigt die hohe Anfälligkeit global vernetzter Systeme und unsere Abhängigkeit von anderen Menschen. Jetzt wird sich zeigen, ob unsere offene Gesellschaft ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gemeinwohl und Individualismus hinbekommt. Es geht um ein soziales Bindegewebe, das gesundet und gesundheitsförderlich ausgestaltet ist. Individuelle Gesundheitskompetenz, gesunde Sozialentwicklung und ein neues menschliches Miteinander, also ein heilsames Milieu und achtsame Menschen in solidarischen Gemeinschaften sind die Stichworte für ein Gleichgewicht zwischen Viren, Menschen und ihrem Gemeinwesen. Und es braucht auch ein gesundes Gleichgewicht zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat. Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur kommen hinzu. Nicht Wachstum, Nachhaltigkeit ist umzusetzen und Werte, nicht das Geld sind der Maßstab. Den dafür notwendigen Werte-Horizont und die dafür vorhandene Orientierung beschreibt Albert Einstein vortrefflich: „So sehe ich für den Menschen die einzige Chance darin, dass er zwei Einsichten endlich praktisch beherzigt: dass sein Schicksal mit dem der Mitmenschen in allen Teilen der Erde unlösbar verbunden ist und dass er zur Natur und diese nicht ihm gehört.“


Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Ellis E. Huber für die Zustimmung zur Zweitverwendung seiner heutigen Information zu Corona. Die Informationen werden täglich aktualisiert und können hier abgerufen werden: https://www.praeventologe.de/

11 Kommentare

  1. Ron

    Der logische Schluss aus dem Erfolg Südkoreas bei der Eindämmung des Virus ist, dass die Dunkelziffer an Infektionen dort sehr gering sein muss.

    Umgekehrt bedeutet das, dass die in Südkorea gemessene Lethalität nahe an der tatsächlichen für eine Gesellschaft mit dieser Alterstruktur und Komorbiditäten ist.

    Die Lethalität beträgt in Südkorea 1,8%. Strebt man wirklich eine Durchseuchung von 60% für eine Herdenimmunität an, so ergibt sich für 80 Millionen Deutsche 80 x 0,6 x 0,018 = 864.000 Tote.

    Ich halte das für keine angemessene Strategie.

  2. Tom

    Und nun? Im Prinzip sagt dieser Beitrag aus, dass die einzige Rechtfertigung jeglicher Maßnahmen das Flachhalten der Kurve ist. Damit die Krankenhauser nicht überlastet werden. Aber die, die jetzt sterben, wären sowieso bald gestorben.

    Das ist nicht nur falsch, weil es zunehmend auch jüngere Menschen trifft, auch ohne Vorerkrankungen. Vor allem ist es zynisch, denn an jedem Menschenleben hängen andere, die gern noch länger das andere sehen und spüren würden.

    Nur weil es andere Krankheiten gibt, die ebenso, oder vielleicht sogar noch stärker, die Lebenszeit der Einzelnen verkürzen, heißt das nicht, dass wir deshalb der neuen Krankheit nichts entgegensetzen müssen. Es heißt vielmehr, dass auch gegen Influenza, MRSA oder andere Krankheiten vorgegangen werden muss.

    Wir sorgen mit Organverpflanzungen, Stammzellentherapien und jeder Menge Medikamente dafür, dass tödlich verlaufende Erkrankungen keine Opfer fordern. Dann sollten wir nicht so tun, als wären die durch Corona beeinflussten nicht genauso viel wert.

    1. Quellenchecker

      „Das ist nicht nur falsch, weil es zunehmend auch jüngere Menschen trifft, auch ohne Vorerkrankungen.“

      Ich nehme an, Sie haben Belege für Ihre Behauptungen, oder sind diese haltlos?

  3. Stephan

    Wenn 4 Wochen Social Distancing die Infektionsraten für Coronaviren massiv bremsen – und das tun sie – dann sollte das doch für viele andere Infektionskrankheiten (jenseits von Krankenhauskeimen) auch gelten, oder?

    Dabei kommt ein wichtiger Punkt hinzu. In 4 Wochen bekommt jeder Corona-Infizierte mit, daß er infiziert ist oder er erkrankt und heilt symptomlos aus. Die Inkubationszeit für viele andere Erkrankungen ist damit auch abgedeckt, so daß viele Nicht-Corona-Infektionen jetzt behandelt werden, bevor die Chance zur Übertragung entstünde.

    Sehen wir also am Jahresende niedrigere Neuinfektionszahlen für Syphilis, Tuberkulose, Grippe, HIV, Masern?
    Sehen wir am Jahresende vielleicht sogar eine Untersterblichkeit, weil Social Distancing nicht nur die Corona-Toten ausgeglichen hat, sondern sogar „normale Todesfälle“ durch andere Keime verhindert hat?

  4. Pierre

    Es wird sicher eine „Untersterblichkeit“ geben, nach dieser Übersterblichkeit. Weniger soziale Kontakte ergeben weniger, Gefahren, Verschmutzung, und alle die in der Übersterblichkeit verstarben.

  5. Karl Gustav

    Danke für den Artikel! Ich stimme mit Vielem überein, vor allem damit, die Sache objektiv und vielschichtig zu betrachten.

    Was ich nicht verstehe ist die Schlussfolgerung „Das jährliche Sterben durch Tuberkulose oder das Aids-Virus übersteigt bei Weitem die gesundheitliche Bedeutung des Coronavirus zum jetzigen Zeitpunkt in Europa und noch mehr weltweit.“

    Die Todeszahlen für Tuberkulose in Europa sind mit 70.000 jährlich angegeben. Etwas weiter oben heißt es: „Täglich sterben 3.000 bis 4.000 Menschen in Europa im Zusammenhang mit dem Coronavirus“. Das würde die Zahl der Toten durch Tuberkulose dann aber bereits nach 20 Tagen übertreffen.
    Für HIV sind nur für Deutschland Zahlen angegeben, aber da sieht es ähnlich aus: „In Deutschland starben 2018 an HIV 440 bis 460 Patienten.“. Das sind bei Corona bereits nach wenigen Tagen mehr.

  6. Markus S.

    Es gibt (mindestens) drei Wege:
    1 Impfstoff
    2 Ausrotten des Virus
    3 Durchimmunisierung

    1 wird kommen, fragt sich nur wann.

    2 wäre das zweitbeste, wenn man die „heilige Kuh Schengen“ und die grüne Gier nach Migranten einmal hinter sich läßt. Im Januar („alles sauber außer Webasto“) wäre das möglich gewesen.

    3 ist mit hoher Sterblichkeit verbunden: Alle bei Johns Hopkins erfaßten Fälle teilen sich nach 12-14 Tagen auf in 95% Gesundete und 5% Tote. Die von Huber herbeigeschriebene Dunkelziffer ist schlicht nicht belegt und kann irgendwo zwischen 0%, 100% oder erfreulichen 500% oder höher liegen. Dazu müßte anlaßfrei und repräsentativ durchgetestet werden, wie Korea das ja offensichtlich schafft (auch dort betragen die Toten im übrigen 3% der Gesundeten, alles bei 1% oder gar darunter ist Augenwischerei und Mißinformation der Öffentlichkeit).

    Huber nennt für DE 130 Tuberkulose- und 450 HIV-Tote im Jahr (verteilt). Wir haben jetzt schon 2400 Coronatote und bei 112.000 Fällen in 12-14 Tagen zu erwartende 5% = 5600 Tote – weit jenseits dieser beiden Krankheiten. Für Europa liegt Tub lt. Huber bei 70.000 Toten im Jahr, Corona alleine in IT, ES und FR nun bei 43000, steigend.

    Die Grippesaison 2017/18 endete mit 1600 nachgewiesenen und 25000 „hochgerechneten“ Grippetoten. Setzt man die nachgewiesenen Fälle gleich den JHU-Toten, sind wir weit jenseits. Will man Durchimmunisieren auf 60% (50 Mio. Fälle) und die 25000 hochgerechneten Grippetoten nicht überschreiten, dürfen diese also nur 5% der offz. Fälle darstellen. Das wären 500.000 offz. Fälle, also 1% von allen, bei somit 9900% Dunkelziffer bezogen auf die sichtbaren „JHU-Fälle“. Wer glaubt da ernsthaft dran? ich sehe das nicht: „Durchimmunisieren“ endet sehr schnell in Triage und damit einer extremen Sterblichkeit v.a. für die „Risikogruppe“ der Älteren.

  7. Heiko Schröder

    Herr Huber schlägt vor, uns Bürgern folgendes zu melden: „Heute starben in Deutschland 2.600 Menschen, darunter 190 an Lungenkrankheiten und 132 durch die COVID-19 Krankheit“. In dieser Mitteilung fehlt:

    „Nur unter starker Mithilfe der gesamten Bevölkerung (social distancing), ist es uns gelungen die Zahl COVID-19 Toten auf 132 zu senken. Wir müssen diese Einschränkungen im Wesentlichen beibehalten, um zu gewährleisten, dass COVID-19 Erkrankten weiterhin effektiv geholfen werden kann.“

    Ohne einen solchen Zusatz erscheint der Beitrag von Herrn Huber als Verharmlosung.

  8. Ich danke den Beiträgerinnen und Beiträgern zu dieser Diskussion für ihre reflektierten Anmerkungen. Mir ging es nicht um eine Relativierung der Gefahren durch Covid-19 oder eine zynische Verniedlichung von Tod uns Sterben bei den betroffenen Menschen, sondern um Handlungsfähigkeit im Kontext des Pandemiegeschehens. Das bedeutet die Leute zu befähigen, das Risiko selbst managen zu können. Sie also mit Rat und Tat zu unterstützen, Messsysteme bereitstellen und die Selbstorganisation zur Kontaktvermeidung und zur Unterbrechung der Infektionsketten fördern. Ich bin für NoCovid, eine Strategie, die entsprechend der Ottawa Charta subsidiäre Aktivitäten vor zentrale Regeln setzt. Um es mal konkret zu machen. Die gegenwärtige Situation mit einer Inzidenz von 135 bedeutet, dass in einer Stadt mit 10.000 Einwohnern täglich zwei Infektionen gemessen werden. Nun muss ich gucken warum und wo. Ist es in einem Pflegeheim nutzen Ausgangssperren für 9.998 Einwohner nichts. Ist ein Unternehmen betroffen oder ein Kindergarten ist es ebenso notwendig, die Verbreitung aus diesen kleinen Lebenswelten zu stoppen wie bei Treffen von Leuten mit Migrationshintergrund, die immer noch nicht verstehen, was los ist, und das braucht individuelle, zielorientierte, an den betroffenen Menschen ausgerichtete Maßnahmen vor Ort. Die Menschen und die Einrichtungen müssen selbst handeln: Testen, Nachverfolgen, Quarantänen organisieren, Ausbreitung eindämmen und notwendige Behandlungen organisieren. Also: zentrale Orientierung und dezentrale Selbstorganisation sind der wissenschaftlich belegte Weg, so wie in einem lebendigen Organismus. Was wir jetzt erleben ist eine Infantilisierung der Bevölkerung und trotziges Aufbegehren gegen autoritative Bevormundung, also eine kommunikative Kollussion: ein unreflektiertes, unbewusstes und von den Akteuren oben wie unten selbst unbewusstes „Arrangement“, eine kollektiv neurotische Verhaltensweise zur Bewältigung des Kontrollverlustes. Auf dieser Basis müssen wir jetzt salutogen basierte Bewältigungskulturen umsetzen.
    Und hier noch ein Hinweis: Lebendige Organismen haben keine Kaiser, Päpste, Chefs oder autoritäre Machtinstanzen: Leben ist dezentrale Selbstorganisation mit zentral dienender Koordination. „Es gibt weder einen super-tollen Baumeister, der den Überblick behält und alle Zellen in ihrem Autonomie-Streben zügelt, es gibt auch so etwas Hierarchisches nicht einmal in einer einzelnen Zelle: Da ist kein Diktator in der Zell-Regulation, kein Erster unter Gleichen, kein Master-Regulator, kein top-down System der Staatsführung.“
    (Toby Gibson, 2009: Cell regulation: determined to signal discrete cooperation). Das nun auf soziale Gemeinwesen zu übertragen ist die Herausforderung.

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