Quo vadis homo s@piens? – Die Entwertung menschlichen Lebens
Quo vadis homo s@piens? – Die Entwertung menschlichen Lebens

Quo vadis homo s@piens? – Die Entwertung menschlichen Lebens

Ein Gastbeitrag von Dr. Heike Knops

Im Mai 2019 wurde das 70-jährige Bestehen des Grundgesetzes gefeiert. So lange schon gilt in der Bundesrepublik das Prinzip der Unantastbarkeit von menschlichem Leben, der Gleichheit aller Menschen – der Menschenwürde: „sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“ (Art.1.1)!

In den 70 Jahren ist die BRD deutlich gealtert. So sehr, dass Ärzte und medizinisches Personal zunehmend Bereitschaft zeigten, das Leben ihrer alten und kranken Patient*innen unter bestimmten Bedingungen vorzeitig zu beenden.

Diese in ganz Europa verbreitete Praxis nahm das „Komitee für soziale, gesundheitliche und familiäre Angelegenheiten“ des Europarates im September 2003 zum Anlass, über eine einheitliche europäische Praxis am Lebensende (1) zu diskutieren und den Mitgliedsstaaten eine Vereinheitlichung der Euthanasie-Maßnahmen zu empfehlen und diese zu legalisieren, um sie kontrollieren zu können. In Rede stehen dabei unheilbare Krankheiten oder ständige, unerträgliche Schmerzen ohne Aussicht auf Besserung und der daraus resultierende oder mutmaßliche Patientenwunsch nach Euthanasie.

Damit ist ein sich ausweitenden Zugriff auf das Leben der Bevölkerung eingeleitet worden. Diese Entwicklung ist systemischer Teil einer sich verändernden Gesellschaft, die immer stärkere Züge eines ungebremsten Kapitalismus trägt. Darin wird alles zur Ware und unter dem Aspekt von Kosten und Nutzen organisiert: auch das Leben. Wurde zunächst nur auf die Arbeitskraft des Menschen rekurriert, so gerät unter medizinischem Kompetenzzuwachs und medizinischer Dominanz mehr und mehr der gesamte Mensch, alle menschlichen Lebensphasen in den Focus.

Mittels Pränataldiagnostik (PND) und Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine weitere gesellschaftliche Bewertung und Entwertung von Leben implementiert worden. Denn diese Verfahren suchen vorgeburtlich auch gezielt nach Krankheiten und Beeinträchtigungen. Werden Veränderungen entdeckt, die unerwünscht sind, die gesellschaftlichem Nutzen und Verwertung zuwiderlaufen, weil sie etwa Pflege und Kosten verursachen werden, so wendet sich diese medizinische Praxis von einer bis dahin öffentlich etablierten zur „rein privaten“. Denn nun sollen plötzlich die Eltern über das Schicksal des bereits medizinisch als „unwert“ definierten ungeborenen Lebens entscheiden. Sie sollen Tod oder Weiterleben verantworten.

Durch dieses Setting verwandelt sich ein von der Krankenkasse bezahltes medizinisches Angebot in eine private Einzelentscheidung. Damit wird die eugenische Selektion formal aus der staatlichen Verantwortung in die private verschoben.

Andererseits aber hat das Verfahren gerade durch die Standardisierung und den allgemeinen Zugang zu dieser medizinischen Leistung gesellschaftliche Bedeutung. Daher kann nicht unreflektiert bleiben, dass PND (und PID) Selektion und pränatale Euthanasie intendiert und insofern eine moderne Form der Eugenik darstellt.

Als solche hat diese Praxis bevölkerungspolitische und sozialethische Relevanz und müsste demokratischem Diskurs und Kontrolle unterworfen sein und sich eben nicht als Privatsache im medizinischen Alltag vollziehen. Zumal das Grundgesetz auch in dieser Frage ein Schutz- und Wächteramt inne hat. Zwar obliegen Pflege und Erziehung der Kinder den jeweiligen Eltern. Aber: „Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“ (Art. 6(2)).

Dass eine eugenische Entscheidung heutzutage keiner diktatorischen Politik mehr bedarf und nicht im Widerspruch zum Grundgesetz (Artikel 1) verstanden wird, ist das Ergebnis kapitalistischer Vergesellschaftung. Sie sichert die individuelle Übernahme der leistungsorientierten Wertmuster durch Angleichung der Identitätsstruktur des Einzelnen an das objektive Anspruchsniveau. Denn „Personale Identität entwickelt sich im Prozess der individuellen Vergesellschaftung als Vermittlung subjektiver Bedürfnisse und Erwartungshaltungen mit den gesellschaftlichen Ansprüchen und Normen, zu denen die Leistungsbereitschaft als zentrales Element gehört.“ (2)

In dem Maße wie die Leistungsfähigkeit abnimmt, verliert das Leben an Wert. Das vermittelt auch das soziale Umfeld, das maßgeblich zur sozialen und persönlichen Identität beiträgt, indem es durch seine Interessen und Definitionen den anderen determiniert.

Diese Art sublimer Fremdbestimmung und bevölkerungspolitischer Lenkung des Menschen durch die kapitalistische Logik des medizinisch-technischen Machtblocks wird begleitet und verstärkt durch einen Prozess gesellschaftlicher Entsolidarisierung. Die Anfänge dieser Entwicklung sieht der französische Philosoph Michel Foucault in der aufkommenden Industrialisierung, die den „menschlichen Körper im wesentlichen zur Produktivkraft“ werden ließ. Gleichzeitig sind „sämtliche Formen der Verschwendung“ von Lebensenergie (Foucault meint hier Sexualität und Wahnsinn), sowie alle Lebensweisen, die nicht der Produktivität dienen, und „daher in ihrer Nutzlosigkeit in Erscheinung“ treten, „verbannt, ausgeschlossen und unterdrückt worden“. (3) Wir blicken heute auf einen Großteil dieses Prozesses bereits zurück.

Aus der wirtschaftlichen Nützlichkeit eines Menschen und den gesellschaftlichen Notwendigkeiten hat sich in der Gegenwart ein Konsens über Lebensqualität gebildet. Er ist uns vertraut und fassbar im herrschenden Gesundheits- und Schönheitsideal sowie der Leistungsethik und Konsumfähigkeit. Ein Leben mit Beeinträchtigungen, die Konsum-, Leistungs- und Erlebnisfähigkeit reduzieren, erscheint als nicht lebenswert.

Die eigene Leistungsfähigkeit zu erhören, liegt nahe und ist nicht nur im Profisport verbreitet. Längst werden Angebote der Leistungssteigerung im Alltag genutzt: Tabletten, Anabolika, Proteine oder Stimulanzen, Energydrinks, Fitnessprogramme, Ernährungsvorschriften.

Fitnessarmbänder kontrollieren Puls und Herzfrequenz, zählen Schritte und Wegstrecke, verbrauchte Kalorien sowie die Phasen der Inaktivität. So drängen sie zur ständigen Verbesserung des eigenen Status`. Daneben explodiert eine Wellness-Industrie, um den ständigen Anforderungen im privaten wie öffentlichen Leben standhalten zu können. Die Aussicht auf eine ganz grundsätzliche Optimierung des Menschen klingt da verlockend. Intelligenz, Gesundheit, Leistungsfähigkeit und gutes Aussehen durch genetische oder biotechnische Optimierung zu erreichen, trifft das Lebensgefühl der modernen Gesellschaft, in der alles käuflich erscheint.

Human Enhancement (4)

An einem entsprechenden Angebot arbeitet bereits ein Google-Projekt, das Ray Kurzweil im Herbst 2014 mit großem finanziellem Aufwand startete. (5) Das menschliche Gehirn soll durch Implantate zur Steigerung der kognitiven Fähigkeiten und Neural Engeneering zur allgemeinen Erweiterung des menschlichen Bewusstseins perfektioniert werden. Darüber hinaus arbeitet das Projekt an der Cyborgisierung auch gesunden Körpergewebes, um Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer zu steigern. Kurzweils zielt auf eine genetische Optimierung des Menschen durch Informations- und Biotechnologie. In seinem Buch „homo s@piens“ (6) mit der ausdrucksstarken Schreibweise von „s@piens“ (die ich augenzwinkernd im Titel übernommen habe) berichtet er davon.

Das Google-Projekt testet in einem ersten Schritt Möglichkeiten der Selbstlernbefähigung von Datenträgern: riesige von Googles Suchmaschinen gesammelte und verglichene Datenmengen sollen sich sozusagen selbst weiter entwickeln, indem sie sich kombinieren und selbständig neue Informationen generieren. Auf dieser Grundlage, mit dieser Methodik hofft man, Krankheiten besser zu erforschen, zu beseitigen und die Lebensdauer des menschlichen Körpers auf ein Mehrfaches zu erhöhen.

Mittlerweile ist das beschriebene Projekt zu einem börsennotierten Unternehmen angewachsen mit einem Jahresumsatz von 136,8 Mrd. US-Dollar (2018). Es firmiert unter den Namen „Calico“ und „Alphabet“ und hat seine Arbeit ausgeweitet: vom ehemaligen Gesundheitssektor und der Biotechnologie auf die Branchen Internetdienstleistungen, Werbung, Softwareentwicklung und Investment.

Zielsetzung des Unternehmens sei es, mithilfe modernster Wissenschaft und transformativer Technologie die Alterung zu bekämpfen und die Gesundheit zu erhöhen „auf der Grundlage von intellektueller Freiheit und Kreativität“.

Auch die BRAIN-Initiative, die vom US-Präsidenten Barack Obama 2014 ins Leben gerufen wurde, forscht an der Verbesserung des Gehirns. Die damit befassten US-Wissenschaftler*innen wollen in den nächsten Jahren zu ergründen versuchen, wie Gehirnzellen miteinander interagieren, also wie Gedanken gefasst werden. Sie wollen aufdecken, wie das Gehirn arbeitet, wie Bewusstsein entsteht und wie Krankheiten das Zusammenspiel der Neuronen verändern.

Als Durchbruch des Jahres 2018 verkündet die BRAIN-Initiative, dass es ihren Wissenschaftler*innen gelungen ist, mit unterschiedlichen Technologien die Embryo-Entwicklung in allen Details zu verfolgen. Forscher*innen können nun Zellen und ihren Folgegenerationen, also ihre zelluläre Fortentwicklung, in lebenden Organismen beobachten und auswerten.

Die Arbeit der BRAIN-Initiative ist auf zehn bis 15 Jahre ausgelegt und startete mit einer Fördersumme von etwa 110 Millionen Dollar für jedes Forschungsjahr. Finanzielle Unterstützung kommt von den Nationalen Gesundheitsinstituten (NIH), der nationalen Wissenschaftsstiftung, dem Verteidigungsministerium und privaten Stiftungen der USA.

Dass sich das Verteidigungsministerium finanziell für diese Forschung engagiert, lässt aufhorchen!

Und so stößt man darauf, dass sich die US-Army schon länger für die Optimierung der menschlichen Leistung interessiert und bereits 2008 Forschungsprojekte mit dieser Zielsetzung ausschrieb. Durch bio-chemikalische oder genetische Veränderung der Mitochondrien soll die Leistung der Soldat*innen gesteigert und länger aufrechterhalten werden. Denn, wie es in der Ausschreibung unter dem Titel „Optimierte menschliche Leistung“ heißt, wird die „moderne Armee durch die Biologie beeinträchtigt“. (7) Aufhorchen lässt zudem, das Nick Bostrom, die Brain-Initiative in Fragen der Bioethik berät. Nick Bostrom ist Mitbegründer der Transhumanistischen Bewegung in den USA.

Transhumanismus

Der Transhumanismus ist eine Art Techno-Philosophie, die sich vor allem unter nicht religiösen US-Bürgern*innen wachsender Beliebtheit erfreut. Auch und grade innerhalb der intellektuellen und wirtschaftlichen Elite des Landes nehmen die Anerkennung und die aktive Verbreitung des Transhumanismus stark zu. Eine Vielzahl technologischer Vordenker und Experten wie Peter Thiel, Peter Diamandis, Max More, Eric Drexler, Marvin Minsky und natürlich Ray Kurzweil zählen zu seinen Unterstützern.

Nun nehmen sie Kurs auf die Politik ihres Landes. Aus diesem Kreis führender Ingenieure, Wissenschaftler und Philosophen stammt auch Zoltan Istvan, Vorsitzender der neuen Transhumanistischen Partei und deren Präsident-schaftskandidat von 2016 sowie Autor des Science-Fiction-Romans „The Transhumanist Wager“.

Auf der Internetseite www.transhumane-partei.de stellt sich die Transhumane Partei Deutschlands vor, als deren Ziel der „globale Einsatz von Technik zur Ermöglichung eines besseren Lebens und einer besseren Zukunft für alle Menschen auf der Erde“ angegeben wird. Die Partei skizziert ihre Moral als „konstruktivem Pragmatismus unter dem Einfluss von Utilitarismus und effektivem Altruismus mit dem Ziel individueller Autarkie“. Die Hauptgeschäftsstelle der Partei ist in Jena angesiedelt, mit Landesverbänden in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen; den Bundesvorstand bilden ausschließlich Männer. Daneben gibt es auch die Deutsche Gesellschaft für Transhumanismus, die international vernetzt und hochkarätig besetzt ist.

Die Transhumanismus-Bewegung hat sich der Anwendung neuer und künftiger Technologien verschrieben; etwa der Nanotechnologie, der Biotechnologie, der Gentechnik und der regenerativen Medizin.

Sie unterstützt Forschung an den Schnittstellen von Gehirn und Computer; etwa das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in digitale Speicher oder die Entwicklung von Superintelligenz. Moderne Technologien sollen es jedem Menschen ermöglichen, seine Lebensqualität nach Wunsch zu verbessern, sein Aussehen sowie seine physikalischen und seelischen Möglichkeiten selbst zu bestimmen.

Insofern spielt die Eugenik im Transhumanismus eine zentrale Rolle. Durch Sterilisation oder Abtreibung die Geburt eines kranken oder behinderten Menschen zu verhindern, gilt in diesen Kreisen aber als „Old School“. Künftig soll vielmehr durch Genmanipulation für die Geburt eines gesunden, optimierten Kindes gesorgt werden. Die menschliche Evolution soll letztlich vom Menschen selbst und seinen persönlichen Zielen gesteuert werden. Diese Art der „Menschenzüchtung“ wollen Transhumanisten jedoch nicht in staatlicher Hand liegen sehen (wie etwa von der nationalsozialistischen Eugenik angestrebt), sondern in die Hände der jeweiligen Eltern legen. Die Rede vom Wunschkind erhält eine neue Dimension!

Der Cyborg

Wie wird es aussehen, das Wunschkind der Zukunft? Gehen wir auf eine Cyborgisierung des Menschen zu? Die Bezeichnung „Cyborg“ ist eine Abkürzung von „cybernetic organism“ und beschreibt eine informations-, gen- und/oder biotechnische Rekonstruktion des Menschen, um Krankheiten zu heilen, Leben zu verlängern oder ihn besser an eine neue Umwelt (oder die Bedingungen des Kapitalismus!) anzupassen. Ein inzwischen weit verbreitetes Element des Cyborgs sind organische Transplantate. Nieren, Herzen, Netzhäute etc. verbessern menschliche Körper, die gar nicht mehr oder nicht mehr optimal weiterleben können. Meist stammen die neuen Organe von anderen Menschen, manche Ersatzteile aber auch von Tieren (Herzklappen zum Beispiel).

Wozu dient das Wissen, das in der Transplantationsmedizin generiert wird? Sehen wir uns hier Forschungsetappen auf dem Weg zum Cyborg gegenüber? Wird also der kranke Körper als Versuchsfeld genutzt zum Test der Verträglichkeit von Fremdgewebe und von Immunsuppressiva?

Aber nicht nur mit menschlichen Organen werden Kranke fit fürs weitere Leben gemacht, sondern auch mit technischen Implantaten. Klassisches Beispiel dafür sind Zahnersatz und Prothesen. Inzwischen hat die Technik letztere so weit perfektioniert, dass sie mit menschlichen Knochen verwachsen können. (8) Im Fall des „Cochlea Implantats“ (9) gibt es sogar eine Verbindung von elektrischen Leitern mit den menschlichen Nervenfasern. Andere Implantate unterstützen motorische Schwächen, der Herzschrittmacher ist der vielleicht bekannteste unter ihnen. Dass elektrische Netze als Ausweitung des zentralen Nervensystems, vielleicht als neue Körperorgane gesehen werden können, ist wohl nicht bloße Spekulation. Es wurde bereits ein Gerät entwickelt, die Biomuse, das als Verbindungsglied zwischen Computer und elektrischen Signalen eines menschlichen Körpers dient. Damit kann z.B. ein Mensch, der selbst nicht sprechen kann, durch Muskelanspannung oder Augenbewegung auf einem Monitor Worte sichtbar machen und so mit anderen kommunizieren. (10) Genetisch programmierte Bakterien sollen zukünftig als Biosensoren das Innere des Körpers erforschen und winzige implantierte Pharmapumpen steuern, die dann ein künstliches und vor allem kontrollierbares Immunsystem bilden. (11)

Ohne Zweifel verhilft der genannte Fortschritt Menschen mit Handicaps zu einem besseren Leben, zu verbesserter Integration in die Gesellschaft und Anpassung an ihre Mitmenschen; er verlängert Leben bei Organschwäche und ist ständig präsent mit technischen Neuerungen und pharmazeutischen Heilsversprechen. Fast unmerklich werden dabei die Grenzen zwischen Mensch, Tier und Maschine fließend. Wir verwandeln uns in Cyborgs, in Mensch-Maschine-Wesen mit Schnittstellen zu allen möglichen technischen Geräten und Systemen.

„RoboCop“ und Co.

In der Filmindustrie sind längst Cyborgs, Androiden und Mensch-Maschine- Wesen zu Titelhelden avanciert. „RoboCop“ zum Beispiel ist ein Polizist, der nach einer tödlichen Verwundung zum Cyber-Gesetzeshüter „umgebaut“ wird. „Doctor Octupus“ ließ sich mechanische Arme an sein Rückgrat anbringen und erhöht seine Hirnfunktion durch einen Chip. Im Film „Cyborg“ erscheint dieser als rettender Held in einer vom Untergang bedrohten Welt. „Major Motoko Kusanagi“ schließlich ist eine manipulierte Kämpferin, weder tot noch richtig lebendig, völlig künstlich erschaffen, verfolgt von der Geißel einer totalen Vernetzung und der Sucht nach physischer Perfektion. Womit die Problematik der heutigen Menschheit auf den Punkt gebracht ist: verfolgt von der Geißel einer totalen Vernetzung und der Sucht nach physischer Perfektion!

Fazit

Die beschriebenen neuen Technologien und Forschungsansätze transportieren eine Entwertung von menschlichem Leben, wie wir es bisher in seiner Vielfalt und Prozesshaftigkeit kennen und durch Art. 1 des Grundgesetzes schützen. Dies geschieht einerseits durch die Legalisierung von Angeboten der Lebensvernichtung von krankem, schwachem und altem Leben – andererseits durch Angebote der Optimierung und Anpassung des Menschen an gesellschaftliche, wirtschaftliche oder militärische Erfordernisse.

Angesichts der genannten Fakten und Tendenzen besteht m.E. erheblicher Diskussionsbedarf, insbesondere die Frage nach einem öffentlichen Diskurs und demokratischer Kontrolle der Entwicklungen. DENN:

– Wen schützt zukünftig die bisher allgemeine Menschenwürde? Wie viel Maschine, Implantate oder tierische Ersatzteile können in einem Wesen verbaut sein, so dass es noch als Mensch gilt und die Menschenwürde für sich in Anspruch nehmen kann?

– Wer wird Zugang haben zu den zukünftigen Möglichkeiten der Selbstoptimierung?

– Wird die gesellschaftliche Ungleichheit unter den Menschen verstärkt, wenn Selbstoptimierung möglich, aber nicht für jeden erschwinglich ist?

– Werden Cyborgs entstehen mit menschlichem Äußeren, die inwendig als Kampfmaschinen ausgebaut wurden oder als Arbeitssklaven?

Ich freue mich auf Kommentare der Leserinnen und Leser hierzu!

Der Artikel erschien erstmals in der Graswurzelrevolution Nr. 441, 13. September 2019, https://www.graswurzel.net/gwr/2019/09/quo-vadis-homo-spiens/ Wir danken Ines Jancar und der Redaktion für die Zustimmung zur Zweitverwendung

 Anmerkungen:

1) Parliamentary Assembly /Assemblée parlementaire
Euthanasia, Doc. 9898, 10. September 2003 / Report: Social, Health and Family Affairs Committee
Rapporteur: Mr Dick Marty, Switzerland

2) Werner Seppmann, Dialektik der Entzivilisierung, Hamburg 2011, S. 89

3) M.Foucault, Dispositive der Macht, Berlin 1978, S. 84

4) Unter „Human Enhancement“ versteht man die medizinischen Interventionen, die sich nicht auf die Therapie einer Krankheit, sondern auf die Veränderung oder Verbesserung nicht-pathologischer Merkmale richtet.

5) www.welt.de/wirtschaft/article123696596/Google-will-sogar-das-Altern-des-Menschen-stoppen.html

6) Kurzweil, Ray, Homo s@piens. Leben im 21. Jahrhundert – was bleibt vom Menschen? München 2000

7) www.heise.de/tplnews/US-Army_will-menschliche-Leistung-steigern

8) Bild der Wissenschaft 9, 1994, 24 ff.

9) Colchlea Implantat: eine Art Radio, das im Fall einer bestimmten Taubheit in die Ohrschnecke eingebaut wird. Ein Mikrophon erfasst akustische Daten aus der Außenwelt , durch Radiowellen werden diese Informationen an den im Kopf eingepflanzten Empfänger übermittelt, der sie in elektrische Impulse verwandelt und den Hörnerv reizt (Oeken u.a., 1993, 281 f.)

10) Lusted, Hugh / Knapp, Benjamin, Computersteuerung mit Nervenimpulsen, in: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1996, S.72 ff.

11) Bertrand, Ute, Allheilmittel Information. Gen- und Informationstechnologien sollen das Gesundheitsmanagement optimieren. In: Wechselwirkung, Nr.62, 1993, S 9 ff.

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